Mittwoch, 4. Februar 2009

Santander, Integration



Archetyp, König, FAZ

Kelek

- Geht doch: "Gewinn der spanischen Banken sinkt - auf hohem Niveau
Die fünf größten Institute des Landes erwirtschaften 2008 fast 18 Milliarden Euro. Der addierte Nettogewinn der fünf bedeutendsten Banken Spaniens ist im vergangenen Jahr um 18,5 Prozent gesunken: ... Nettogewinn Santander stieg sogar um 9,4% auf rund 9 Mrd." 3.2. FAZ

- Per aspera ad astra? : "Rückzug vom Ministerposten. Tom Daschle stürzt über Steueraffäre. Obamas Kabinettsbildung hat einen weiteren Rückschlag erlitten: Nun steht auch der designierte Gesundheitsminister Tom Daschle nicht mehr zur Verfügung. Ein Kandidat nach dem anderen stolpert über Steueraffären oder Korruptionsvorwürfe ..." 3.2.

- "Integration
Der große Bruder wird's schon richten

03. Februar 2009 FAZ. Wer in diesen Tagen die türkische Presse in Deutschland liest, der erfährt, was die Türken hierzulande vermeintlich bedrückt. Unter der Überschrift „Eure Sorgen, unsere Sorgen“ und in anderen Artikeln wird in der „Hürriyet“ eine Wehklage über eine Maßnahme des Auswärtigen Amts geführt. Empört wird berichtet, dass in der Botschaft Paare, die einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen, danach befragt werden, wie lange sie sich denn kennen.
Wenn das Amt den Eindruck habe, die Ehe wurde arrangiert, Braut und Bräutigam sich gar nicht oder nur flüchtig kennen, werde angeblich das Visum verweigert. Die türkische Gemeinde und andere Lobbyisten versuchen seit der Reform des Zuwanderungsgesetzes die Regelung, nach der „Importbräute“ achtzehn Jahre alt sein und dreihundert Worte Deutsch lernen müssen, zu kippen. Für sie sei das diskriminierend und eine der wichtigsten Sorgen unter „1000“, die Türken in Deutschland hätten.
Man heiratet unter sich
Laut „Hürriyet“ klagten türkische Eltern: „Damit die Kinder in die Krippe aufgenommen werden, sprechen wir mit ihnen Deutsch. Aber dann können sie kein Türkisch und vergessen die Kultur. Wir halten uns daran, was Erdogan gesagt hat, Integration ja, Assimilation nein. Aber wie soll das gehen?“ Sie beklagen sich darüber, nicht mehr in Ruhe Mädchen aus ihren Heimatdörfern mit ihren Söhnen hier verheiraten zu können. Folgt man dieser Berichterstattung, geht es den Türken in Deutschland miserabel. Und es überrascht auch nicht, wie das Gutachten des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung „Ungenutzte Potenziale. Zur Lage der Integration in Deutschland“ aufgenommen wurde.
Der Report stellt ja nicht nur fest, dass die türkischen Migranten die am schlechtesten integrierte Gruppe sind, sondern auch, dass dreiundneunzig Prozent der Türken Ehepartner aus ihrer Gruppe suchen, sie also unter sich heiraten und unter sich bleiben und anderes mehr. Insgesamt beschreibt die Studie ein differenziertes Bild vom Stand der Integrationsbemühungen in Deutschland, zeigt Erfolge, Defizite und Ziele. Eines davon wäre: „Sinn und Zweck von Integration ist es allerdings, dass die familiäre Zuwanderungsgeschichte irgendwann keine Rolle mehr für ein erfolgreiches Leben in der Gesellschaft spielt.“
Bankrott der Lobbypolitik
Insgesamt ist die Studie auch eine Bankrotterklärung der türkischen Lobbypolitik der letzten Jahrzehnte, wird hier doch deutlich, dass es eben nicht die sozialen oder ökonomischen Verhältnisse sind, die über Erfolg oder Misserfolg der Einwanderer bestimmen, sondern in großem Maße die sozio-kulturellen und religiösen Bedingungen und auch patriarchale Familienstrukturen. Das gefällt naturgemäß weder der türkischen Presse noch denjenigen, die in der Öffentlichkeit spezifisch türkische Interessen vertreten.
Als Kronzeuge ihrer These, all dies sei üble Nachrede - „Die Türken werden abgestempelt“ -, zitiert „Hürriyet“ den emeritierten Migrationsforscher Bade, der die Ergebnisse der Studie nicht akzeptieren kann und stattdessen relativiert. Sinngemäß, weil zurück aus dem Türkischen übersetzt, sagt Bade: Wie müsste man dann (wenn man diese Zahlen ernst nimmt) über die ständig steigende Zahl der Analphabeten in Deutschland sprechen. Und er gibt gleich die Interpretation der Studie vor: „Es ist ein soziales Problem, kein türkisches.“ Liest und hört man die Kommentare der türkischstämmigen Politiker, scheint tatsächlich das Integrationsproblem mit den Türken wenig, mit der deutschen Politik aber viel zu tun zu haben. „Es geht vor allem um eine soziale Frage und nicht um eine kulturelle“, so der Grünen-Chef Cem Özdemir. „Es ist falsch, Integration nach ethnischen Kriterien zu beurteilen“, erklärt Hakki Keskin von der PDS, und sein Parteigenosse Ali al Dailami möchte gleich alle Türken einbürgern. Emine Demirbüken-Wegner aus dem Bundesvorstand der CDU sagte Tage zuvor zum Problem der Gewalt unter Jugendlichen Ähnliches: „Ethnisierung des Problems hilft uns nicht weiter.“ Und die Kölner SPD-Abgeordnete Lale Akgün erklärt, dass die schlechten Ergebnisse an der Bildungspolitik und an mangelnden Perspektiven für die Migranten lägen.
Der „abi“ wird es richten
Keiner der türkischstämmigen Politiker stellt sich hin und sagt: Ja, es gibt spezifische Probleme, die nicht relativiert werden dürfen. Warum reden sie nicht über arrangierte Ehen, Ferienbräute, Ehrenmorde, Gewalt in Familien, Diskriminierung der Frau? Warum redet ein Sozialpädagoge wie Cem Özdemir in der „Tageszeitung“ am liebsten nur von der türkischen Mittelschicht, warum klangen manche seiner Äußerungen in der Vergangenheit so, als sei er Pressesprecher in Ankara? Warum fordert der Türken-Lobbyist und SPD-Genosse Kenan Kolat gebetsmühlenartig mehr Geld für Türken, warum möchte Lale Akgün am liebsten die Islamkonferenz und den Integrationsgipfel abschaffen, und warum hält die Berliner SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill es für unangemessen, dass türkische Eltern ihren Kindern bei den Schularbeiten helfen, nach dem Motto: „Das können migrantische Eltern nicht leisten“? Die Antwort ist einfach und bitter. Diese türkischstämmigen Politiker arbeiten seit Jahrzehnten daran, sich und ihre Klientel als Opfer zu stilisieren und selbst als Opferanwälte aufzutreten.
Özdemir, Demirbüken und Co. behandeln die türkische Community mehr oder weniger als Mündel, reden, sprechen und entscheiden für sie. Der deutschen Politik war das lange ganz recht. Das Integrationsproblem wurde von den türkischstämmigen Stellvertretern erledigt. In der türkischen Gesellschaft ist man das gewohnt, dass nur die abis, die älteren Brüder, das Wort führen und die anderen ihrer Entscheidung zu folgen haben. „Der abi wird es schon richten“, heißt es im Alltag, und man nimmt es hin.
Politik aus Herkunft
Türkischstämmige Politiker treten seit Jahren quer durch alle Parteien und Organisationen als abis, als Vormünder ihrer Landsleute, auf. Unterstützt werden sie dabei von den ablas, den großen Schwestern, und sie verhindern vor und hinter den Kulissen, dass andere Auffassungen zur Integrationspolitik sich durchsetzen könnten. Sie fühlen sich mächtig, weil sie sich untereinander als Türken einig sind und alles blockieren. Sie versuchen zu verhindern, dass Probleme an die Öffentlichkeit kommen. Dass selbstbewusste und kritische Stimmen ihnen ihr politisches Geschäft verderben, macht sie wütend. Deshalb denunzieren sie, über alle Parteien hinweg, kritische Stimmen oder Frauenrechtlerinnen, die eine andere Politik verlangen.
Auch Cem Özdemir hat sich, auch wenn er den anatolisch-schwäbischen Weltmann gibt, gedanklich noch nicht aus dem „Wir“ des Herkunfts-Kollektivs gelöst. Er nimmt die türkischen Migranten als Gruppe, die er als gelernter Sozialarbeiter gegenüber der deutschen Gesellschaft zu beschützen hat. Diese Haltung, die Migranten zu Mündeln der Politik macht, hat der Integration nachweislich sehr geschadet.

Weg vom Macho mit Goldkette
Wenn trotzdem so heftig über Integration, den Islam, die Kulturdifferenz und Verantwortung und Lösungen diskutiert wird, ist es nicht das Verdienst dieser Lobbyisten. Sie haben weder Zwangsheiraten, Gewalt, Ehrenmorde, Parallelgesellschaften thematisiert, sondern sie - und das ist auffällig - versuchen die Diskussion, wo sie nur können, zu relativieren. Wie gerade jetzt die Debatte über die neue Integrationsstudie. Sie ahnen, je mehr die Menschen mitdiskutieren, je genauer hingeschaut wird, desto offensichtlicher werden die Enge ihrer Wahrnehmung und ihr schmaler Horizont. Sie sehen ihre Geschäftsidee gefährdet.
Ich bin deshalb froh, dass es unter den Türkinnen und Türken selbst und in fast allen Parteien mittlerweile auch Menschen gibt, die die soziale Realität genau wahrnehmen und die Verschleierung der Probleme nicht mehr mitmachen, die sich zu Wort melden und sich einmischen. Wir Türken haben ein Problem mit der Integration. Das ist offensichtlich. Dieses Problem ist auch ein soziales, vor allem hat es aber mit Haltungen, Einstellungen, Werten, Lebensentwürfen, Traditionen und Gebräuchen zu tun. Und wenn Lale Akgün sagt: „Die Schulen müssen den türkischen Migranten nicht nur Bildung und Sprachkenntnisse vermitteln, sondern auch ein Bewusstsein für die Werte der Gesellschaft. Nicht der tumbe Macho mit Goldkette ist erfolgreich, sondern derjenige, der gute Leistungen bringt“, dann ist das als Schritt zur Erkenntnis zu begrüßen. Sie wird hoffentlich Wirkung in ihrer Partei zeigen. Nur wenn die türkischen Migranten bereit sind, darüber ehrlich zu reflektieren, können sie sich klarwerden, was so viele am Erfolg hindert. Und es gibt viele, die sie dabei unterstützen werden." FAZ
Necla Kelek, 1957 in Istanbul geboren, ist deutsche Sozialwissenschaftlerin.