„Scheck: Rafik Schami hat einen Feind, die Sippe. Sie
schreiben, nichts wird sich in der arabischen Welt wirklich zum Besseren
ändern, solange nicht die Macht der Sippe gebrochen wird.
Schami: Das ist meine These, und der bleibe ich auch treu.
Die Sippe war eine geniale Erfindung, um die Wüste zu überleben. Wissen Sie,
die Wüste ist freundlich für Touristen, aber sie ist lebensfeindlich. Durch die
Sippe, das Teilen, alles teilen und zusammenhalten und nach außen sich
einigeln, also sich so einigeln, dass alles von außen sich nicht einmischt. Sie
hält zusammen, aber der Einzelne hat keinen Wert. Die moderne Zivilisation baut
auf das Individuum, auf den einzelnen Menschen, auf seine Freiheit, auf seine
Achtung, auf seine Forschung, auf seine Erfindungen. Deshalb haben wir ein
Problem mit der Moderne. Unser Problem ist, die Sippe unterdrückt alle, dafür
garantiert sie ihr Überleben. Unser Mensch ist geborgener als ihr Europäer,
aber er ist willenloser. Er ist nicht fähig, seine Stimme zu erheben. Zum
Beispiel wird bei uns das Wort Opposition sofort mit Verrat gestempelt, weil
eine Opposition in der Sippe spaltet die Sippe. Und schon meldet sich das
Überleben. Das ist jetzt eine Gefahr. In Europa ist Opposition nicht gerade
beliebt, aber ist eine Notwendigkeit für die Demokratie. Eine Gegenstimme ist
immer korrigierend für die Geschichte. Und deshalb glaube ich an keine
Entwicklung, und wenn sie auch Politbüro-Kommunisten – die sind Schwager und
Schwiegersohn und Vater und Tochter. Unsere kommunistische Partei wird vererbt.
Die kommunistische Partei vererbt an die Witwe, und die Witwe hat sie jetzt dem
Sohn vererbt. Damit Sie nur sehen, wie tief die Sippe in unseren Knochen
gedrungen sind. Und daher, alles Vokabular, das wir abschreiben von der
europäischen Kultur, hat keine Wirkung, solange wir die Sippe nicht
zerschlagen. (...)
Schami: Richtig. Wenn Sie in Syrien einen Analphabeten als
Cousin des Präsidenten im Kultusministerium ein Abteilungsleiter – Analphabet,
Sie hören richtig – das kann nur in solchen Ländern passieren. (..) Aber eine
sehr strukturierte Mafia hat den Staat abgebaut und hat etwas ähnliches. Es
funktioniert auch. Gehälter werden bezahlt, Leute werden geschasst, Leute
werden befördert, je nach ihrer Loyalität. Loyalität gilt. Nicht die Fachqualifikation,
nicht die Anständigkeit, nicht die Ehrlichkeit. Es gilt, dass Sie Verwandter
neunten Grades des Präsidenten sind, dann bekommen Sie den Posten. (...)“ ( http://www.deutschlandfunk.de/rafik-schami-zu-syrien-eine-vererbte-demokratie-ist-keine.700.de.html?dram:article_id=328836)
Stamm, Clan und Sippe waren überall die einfachen
Organisationsformen und sie sind es noch heute im Orient und in Afrika.
Stammes- und Sippenführer herrschen praktisch unumschränkt, legitimiert durch
Tradition. Das ist bei Clan-Chefs in Berlin nicht anders. Dazu kommt die
deutsche Sozialhilfe:
„Die Grundsicherung hat aber auch eine adverse Wirkung auf
die Integrationsbereitschaft der Migranten aus islamischen Ländern: Sie haben
mit der Grundsicherung einen aus ihrer Sicht – im Verhältnis zu den
Herkunftsländern – beispiellos hohen Lebensstandard. Das befreit sie von der
Notwendigkeit, ihren traditionellen Lebensstil zu ändern, sich um Spracherwerb
und Arbeit zu bemühen und ihren Frauen mehr abendländische Freiheiten
zuzugestehen. So führt ein gerader Weg von der Grundsicherung zu den
Parallelgesellschaften der islamischen Migranten.“
(Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 150)
Und die Kinder?
“Nicht Kinder produzieren Armut, sondern Transferempfänger
produzieren Kinder. Die Statistik scheint das zu belegen, denn in Deutschland
bekommen diejenigen, die von sozialer Unterstützung leben, deutlich mehr Kinder
als der vergleichbare Rest der Bevölkerung. Damit wächst in unserem
Bildungssystem der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Unterschichtfamilien
kontinuierlich. Nach Abschluß einer meist wenig erfolgreichen Schullaufbahn
schlagen die wenig qualifizierten Kinder großenteils den Weg ihrer Eltern ein
und bekommen wieder überdurchschnittlich viele Kinder. Systematische
Unterschiede in der Fruchtbarkeit verschiedener Gruppen bedeuten in wenigen
Generationen eine radikale Verschiebung der Bevölkerungsverhältnisse. Deshalb
wird das unterschiedliche generative Verhalten von Unterschicht und Rest der
Bevölkerung auf Dauer unsere Gesellschaft verändern …”
(Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 149f.)