Jeder, sieht man ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig;
Sind sie in corpore, gleich wird euch ein Dummkopf daraus.
Schiller, Epigramme
Dieses frühe Schillerwort zur Gruppendynamik ist bekannt. Bezieht es sich auch auf die Familiengruppe? Ja und nein. Es trifft überall zu, wo das Dialogische nicht im Vordergrund steht, das Reflexive, Nachdenkliche. Bei Familienfesten hat es wenig Platz, wenn nicht gerade eine arrivierte Familie etwas feiert und das zu gestalten weiß.
Im Zusammenleben von Eltern und Kindergeneration kann es eine ungemein große Rolle spielen. Wer könnte den Einfluß von Abertausenden von Gesprächen in der Familie überschätzen? Was dort an Klugem und Ratendem oder Unklugem und Geistärmlichen zur Sprache kommt, wirkt sich vielfältig fruchtbar oder behindernd und hemmend aus.
Der jüngst verstorbene französische Soziologe Raymond Boudon, ein Gegenspieler des närrischen Bourdieus, unterschied primäre und sekundäre Herkunftseffekte in den Schulkarrieren. In jeder Hinsicht primär, neben der Genetik, ist die Sozialisation im Elternhaus. Was Kinder in einem kultivierten Elternhaus über die Jahre hinweg lernen können - nicht unbedingt müssen, denn Berufstätigkeit der Eltern, Drogenprobleme etc. bedrohen diese Sozialisation - das bleibt primär und kann von der Schule nicht ausgeglichen werden. Gegen engstirnige Lehrer, die ja meist nur Schulen besucht haben und nur Schulen kennen, ist dieses Fundament und der Familienrückhalt sogar von besonderer Bedeutung.
Die Familiengruppe fällt also nur bedingt unter Schillers Diktum - den Familienfesten läßt sich, wenn Sauf- und Fußball-Niveau droht und endloses Tantengerede, durchaus entkommen.
Und “freilich ist Einsamkeit einer langweiligen und unbedarften Gesellschaft immer noch vorzuziehen”, meint Montaigne in seinen ESSAIS (“Über die Eitelkeit”), wie er überhaupt anregt, sich seine Verwandschaft in den reifen Jahren selbst auszuwählen. Das kann dann reichen von Epikur bis zu Montaigne, von Epiktet bis zu Lichtenberg. Eine gute Gesellschaft.