mi 9° b/s
- Steuerwüsten, Steueroasen
- „Für Deutschland ist meine Steuerflucht ein Geschäft“
„Das gesparte Geld haben wir in das Unternehmen gesteckt”
23. Februar 2008 Der Maschinenbau-Unternehmer Diether Klingelnberg kritisiert die Pläne der Bundesregierung für die Erbschaftsteuerreform scharf. Sie sei komplizierter, unsicherer und in vielen Fällen teurer für die Unternehmen - und: „Sie wird eine Welle von Umzügen auslösen.“
Herr Klingelnberg, Sie sind ein Steuerflüchtling. Warum?
Ich wollte unser Unternehmen wachsen lassen, statt Millionen für die Erbschaftsteuer zurückzulegen. Deshalb bin ich 1996 nach Belgien gezogen. Das gesparte Geld haben wir in das Unternehmen gesteckt. Heute steht es glänzend da.
Das müssen Sie erklären.
Wir hatten Sorge, dass die Erbschaftsteuer unser Unternehmen gefährdet oder zumindest bremst. Im Erbschaftsfall hätten wir 30 Prozent des Unternehmenswertes an den Fiskus zahlen müssen. Deshalb hat die ganze Familie ihren Wohnsitz in Deutschland komplett aufgegeben und ist nach Belgien gezogen. Ich habe in Deutschland keine Zahnbürste, kein Sofa und keine Freundin.
Zum Thema
Wie kam es zu der Entscheidung?
Anfang der neunziger Jahre gab es eine Krise im Maschinenbau. Ich habe Ende 1995 überlegt, wie ich das Unternehmen zukunftssicher machen kann. Wir kamen schnell zum Schluss, dass wir Deutschland verlassen sollten. Belgien lag nahe wegen der vernünftigen Steuergesetzgebung, der Nähe zu unserem Wohnort und weil im neuen Wohnort Deutsch gesprochen wird. Aber leicht war das nicht. Vor allem meine Frau hat sich schwergetan. Aber es half ja nichts. Am 18. Juni 1996 sind wir mit dem Möbelwagen umgezogen.
Und haben alles hinter sich gelassen?
In dem Haus, in dem wir früher gewohnt haben, habe ich seitdem ganze drei Stunden verbracht.
Das sollen wir Ihnen glauben?
Ich habe exakt Buch über meine Fahrten geführt. Die Steuerprüfer haben daraus erfahren, dass ich immer brav morgens aus Belgien in die Firma gekommen und abends zurückgefahren bin.
In Belgien haben Sie die Firmengruppe vererbt?
Ohne weiteres geht das nicht. Erst einmal mussten wir rund 10 Millionen D-Mark Wegzugsteuer an den deutsche Fiskus überweisen. Dann mussten wir fünf Jahre warten, um endgültig aus dem deutschen Steuerrecht entlassen zu werden. Danach habe ich meine Anteile an meinen Sohn verschenkt, ohne Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Später sind wir in die Schweiz gezogen. Dort lebt mein Sohn. Und von dort lenkt er die Firmenholding.
Dort bezahlen Sie Ihre Steuern?
Um eines klarzustellen: Die Gewinne, die das Unternehmen in Deutschland erwirtschaftet, werden in Deutschland versteuert. Die Gewinne sind hoch wie nie. Das bedeutet für den Fiskus zurzeit zehn Millionen Euro. Meine privaten Einkünfte, die in Deutschland anfallen, werden ebenfalls dort versteuert.
Und die Dividenden aus der Firma?
Die Gesellschafter lassen alle Gewinne seit zwölf Jahren in der Firmengruppe. Wir wollen, dass sie wächst, investiert und ein Polster für schlechte Zeiten hat.
Was hätte es Sie gekostet, wären Sie hiergeblieben?
Das kann ich nicht genau sagen, weil es von vielen Faktoren abhängt und das Gesetz mehrfach geändert wurde. Damals hätte das im schlechten Fall wohl 40 Millionen DM gekostet. Das hätte das Ende des Unternehmens sein können.
Hätte es nicht gereicht, wenn Sie in Belgien Ihren Wohnsitz angemeldet und sonst alles beim Alten belassen hätten?
Um in die Boris-Becker-Falle zu tappen? Nein, man muss Ernst machen.
Warum sind Sie dann in die Schweiz umgezogen?
Ich bin jetzt pensioniert. Wissen Sie, im Tessin ist einfach das Wetter schöner als in Belgien. Dort haben wir schon seit fast 50 Jahren ein Ferienhaus. Auch unser Sohn wohnt in der Schweiz. Also haben wird dort unseren neuen Hauptwohnsitz aufgeschlagen.
Und steuerlich war es natürlich auch attraktiv.
In der Schweiz verhandeln Sie mit Ihrem Finanzbeamten über die künftige Steuerbelastung.
Wie bitte? Wie auf einem Basar?
Nicht, dass Sie falsche Vorstellungen bekommen. Das waren harte Gespräche. Am Ende habe wir uns darauf geeinigt, dass ich nicht mehr bezahlen muss als in Belgien. Sonst wäre ich nicht umgezogen.
Und was zahlen Sie jetzt?
Für Pensionäre wie mich hat die Schweiz eine besondere Regel: Der Fiskus legt die fünffache Jahresmiete des Hauses, in dem man lebt, als Einkommen zugrunde. Darauf bezahlt man die Steuern.
So haben wir uns den reichen deutschen Unternehmer immer vorgestellt. Erst entziehen Sie dem Staat die Steuern, dann machen Sie sich ein sonniges Leben im Tessin.
Halt. Wir haben Erbschaft- und die Vermögensteuer vermieden. Aber das Geld kam der Firma zugute. Heute ist die Firma dreimal so groß. Wir haben Arbeitsplätze geschaffen, mehr geforscht und fünfmal so viel Steuern entrichtet wie zum Zeitpunkt unseres Umzugs. Für Deutschland ist meine Steuerflucht ein gutes Geschäft.
Sagen Sie bloß, Sie haben Deutschland verlassen, damit Ihre Firma in Deutschland blühen kann.
Ja, genauso ist es. Wir haben jetzt mit unserer Belegschaft eine Vereinbarung ausgehandelt, die die 40-Stunden-Woche und eine Gewinnbeteiligung vorsieht. Eine Produktion in der Schweiz haben wir nach Deutschland verlegt, und im Moment läuft hier ein Investitionsprojekt in der Größenordnung von 35 Millionen Euro.
Sie meinen, am besten die Unternehmen zahlen gar keine Steuern. Dann wird schon alles gut.
Das wäre die falsche Konsequenz. Wir nehmen staatliche Leistungen in Anspruch. Schulen, Straßen, Verwaltungen: Dafür müssen die Firmen zahlen. Es muss nur alles im Rahmen bleiben. Sonst entsteht Verdrossenheit. Und der Staat darf das Geld natürlich nicht verzocken wie der Bund bei der KfW, die Länder bei den Landesbanken und die Städte bei ihren Zinsspekulationen. Das führt nicht dazu, dass der Bürger gerne Steuern zahlt.
Sie machen aber einen Unterschied zwischen Gewinnsteuern und Substanzsteuern.
Genau so ist es. Steuern, die den Unternehmen an die Substanz gehen, gehören abgeschafft. Deshalb muss die Erbschaftsteuer reduziert werden. Inzwischen werden aber in diesem Land sogar die Kosten der Unternehmen besteuert. Darunter leidet das Wachstum.
Aber die neue Erbschaftsteuer entlastet die Unternehmen?
Im Gegenteil. Sie ist komplizierter, unsicherer und in vielen Fällen teurer für die Unternehmen. Sie wird eine Welle von Umzügen auslösen.
Welchen generellen Steuersatz finden Sie fair? Der Heidelberger Professor Paul Kirchhof schlägt 25 Prozent vor.
Da kann man ruhig höher gehen. 35 Prozent auf die Einkünfte sind akzeptabel. Aber ohne Schlupflöcher und Fallstricke.
Mehr nicht?
35 Prozent sind international konkurrenzfähig, entsprechen der jetzigen Belastung, und ich habe den Eindruck, die deutsche Regierung geht mit dem Geld der Steuerzahler nicht gut um.
Aber schlecht wirtschaftende Regierungen finden Sie überall.
Halt. In der Schweiz wäre das so nicht denkbar. Zum Teil mag das an der direkten Demokratie liegen. Ich glaube auch, dass die Steuerehrlichkeit in der Schweiz größer ist als in Deutschland.
Dann haben Sie Verständnis für Klaus Zumwinkel?
Ich habe überhaupt kein Verständnis für Herrn Zumwinkel. Mir ist auch unverständlich, warum ein Spitzenverdiener sich so angreifbar macht. Aber ich finde, man sollte nicht so ein Theater machen. Zumwinkel ist ein Einzelfall im Vergleich zu der Schwarzarbeit in Deutschland.
Schwarzarbeit ist das Ausweichmanöver des kleinen Mannes.
Ich habe für Schwarzarbeit kein Verständnis und für Zumwinkel nicht. Steuerhinterziehung wird jetzt bestraft wie Totschlag. Länder mit liberalen Steuergesetzen haben ehrlichere Bürger als Länder mit drakonischen Strafen. Liechtenstein auszutrocknen bringt nichts. Dann geht das Geld nach Singapur oder anderen Steueroasen. Die Politik muss die Bürger überzeugen, dass sie das Geld sinnvoll einsetzt.
Eliten müssen Vorbild sein, heißt es jetzt. Sind Sie Vorbild? Sind Sie Elite?
Ob ich Elite bin, weiß ich nicht. Aber ich habe mich für die Firma und für die Belegschaft eingesetzt, Aufträge reingeholt, das Geld in der Firma gelassen und investiert. Ich glaube, das wird anerkannt.
Auch Ihre Steuerflucht empfinden Sie letztlich als vorbildlich?
Ich finde die Entscheidung von damals immer noch richtig. Sie hat uns die Freiheit gegeben zu wachsen.
Das Gespräch führten Rainer Hank und Winand von Petersdorff
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 25.2.08
* Huber fordert Abschaffung der Erbschaftsteuer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen