Sonntag, 23. März 2008

Rekordkälte im Januar

-1°, Nachtfrost, in der Sonne glitzernde Reifdecke

- Rekordkälte im Januar
Hierzulande war es im Januar überdurchschnittlich warm. Vielen anderen Regionen der Erde bescherte dieser Monat jedoch eine Rekordkälte. Global betrachtet fiel die Temperatur auf den Landflächen erstmals seit 1982 sogar wieder unter den Mittelwert des gesamten 20. Jahrhunderts. Dies ergaben übereinstimmend die Daten der weltweit vier wichtigsten Klimaforschungszentren, darunter das US National Climate Data Center sowie das Hadley-Klimaforschungszentrum im britischen Exeter. Diese Institute überwachen fortlaufend die Fieberkurve der Erde.
Die Hadley-Klimatologen ermittelten gegenüber Januar 2007 einen Rückgang der Globaltemperatur um knapp 0,6 Grad Celsius. Dies entspricht annähernd der globalen Erwärmung während des gesamten 20. Jahrhunderts und ist der bislang schnellste registrierte Temperatursturz. Allerdings war der Winter 2007 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Weltweit lagen die Temperaturen um 0,6 bis 0,7 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Ursache war damals das Wetterphänomen El Nino, durch das sich besonders der Südpazifik erwärmt hatte.

Schneechaos und Kältetote

Die Folgen der Abkühlung zu Beginn dieses Jahres waren teilweise dramatisch. In Sibirien kämpften die Menschen mit selbst für dortige Verhältnisse ungewöhnlich harter Kälte. Aus vielen Gebieten meldete die Agentur Itar-Tass neue Tiefsttemperaturen, die mit Werten von minus 40 bis minus 50 Grad um 12 bis 14 Grad niedriger lagen als normal. Die Stadt Jakutsk verzeichnete an einem Tag minus 46 Grad. Zur Zeit des chinesischen Neujahrsfests tobten Schneestürme über China, Hunderttausende von Menschen, die von ihren Arbeitsstellen nach Hause fahren wollten, saßen in Bahnhöfen und Busstationen fest.

Anfang Januar gab es Schneechaos in Bulgarien, Rumänien und der Türkei. Aus Nordindien wurden 38 Kältetote gemeldet, und die USA verzeichneten eisige Temperaturen bis hinunter nach Florida. Teilweise lagen 47 Prozent der Landesfläche unter einer Schneedecke. Eine Kältewelle gab es auch in Mexiko. Der Iran litt unter Rekord-Schneefällen, die teilweise erstmals auch Wüstengebiete erfassten. In Bagdad schließlich fiel der erste Schnee seit mindestens 100 Jahren.

In den Polargebieten der Erde wuchsen die Eisdecken durch den Temperaturrückgang wieder. Die arktische Eisfläche war nach Angaben des National Snow and Ice Data Centre der USA größer als in den vergangenen vier Jahren, blieb aber unter dem Mittelwert der Jahre 1979 bis 2000, der als Referenzwert dient. Zugleich – dies berichtete der Canadian Ice Service in Ottawa – war die Eisdecke zehn bis 20 Zentimeter dicker als 2007. In der Antarktis war die von Meereis bedeckte Fläche so ausgedehnt wie seit 30 Jahren nicht mehr. Überdurchschnittlich warm war es demgegenüber in Mittel- und Westeuropa sowie in einigen Gebieten Skandinaviens, in Teilen Asiens sowie in Australien, wo gerade Sommer herrscht und es den wärmsten Januar seit Aufzeichnungsbeginn gibt.

Ist die Sonne schuld?

Ursache des ungewöhnlichen Wettergeschehens ist laut dem Deutschen Wetterdienst eine Veränderung der sogenannten Arktischen Oszillation. Dieses Schwingungsmuster von Luftmassen wird von den „Jetstreams“ (Strahlströmen) bestimmt. Es handelt sich dabei um schmale Starkwindbänder, die jeweils in hohen nördlichen und südlichen Breiten sowie in größeren Höhen um die Erde kreisen. Im Januar bildeten sich Hochdruckgebiete über Osteuropa, die Vorstöße polarer Kaltluft in unsere Gefilde blockierten. Als Folge davon wurde unser Wetter von einer recht stabilen Westlage bestimmt, die sich über West- und Mitteleuropa etablierte und relativ warme Meeresluft heranleitete.
Gibt es eine neue Eiszeit?
Nach Veröffentlichung der Januar-Daten durch die Klimaforscher setzte sogleich die Diskussion über die tieferen Ursachen der Kälteperiode ein. Einige „Klimaskeptiker“ sahen darin den Beweis dafür, dass es keine anhaltende globale Erwärmung gibt. Klimaforscher halten es aber für möglich, dass der Kälteeinbruch nur ein Vorbote einer Phase globaler Abkühlung ist. Als Ursache nennen sie eine anhaltende Aktivitätsflaute auf der Sonne, mit der auch eine verringerte Einstrahlung von Energie auf die Erde einhergeht. Die Aktivität der Sonne, die auch das irdische Klima beeinflusst, folgt einem elfjährigen Zyklus. Im Jahr 2007 erreichte dieser sein Minimum. Längst schon sollte mit einem Anstieg der magnetischen Aktivität der nächste Zyklus begonnen haben. Doch er kommt nicht in Gang. Zwar zeigte sich im Dezember ein einsamer Sonnenfleck, der den Start der neuen Aktivitätsphase anzukündigen schien. Doch nach zwei Tagen war er wieder verschwunden, seither herrscht wieder Ruhe auf unserem Mutterstern.

Eine frühere Kaltphase, die von 1790 bis 1830 auf der Erde herrschte – das so genannte Dalton-Minimum – begann vermutlich auf ähnliche Weise. Damals verharrte die Sonne mehrere Jahre lang in einem Zustand verringerter Aktivität, der betroffene Zyklus dauerte statt der normalen elf vermutlich 15 Jahre. Einige Forscher sehen auch Anhaltspunkte dafür, dass die Sonne ihn vollkommen übersprang. Das Dalton-Minimum ist ein Abschnitt der „Kleinen Eiszeit“, vom 15. bis zum 19. Jahrhundert mit langen Wintern, nasskalten Sommern und Hungersnöten.

Doch der Astrophysiker Sami Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, beruhigt: „Vorläufig ist nicht mit einer neuerlichen Eiszeit zu rechnen“. Denn Aktivitätsminima der Sonne wie das derzeitige seien oft recht ausgedehnt. „Das Minimum kann noch ein halbes Jahr oder länger fortdauern, normalerweise steigt die Sonnenaktivität danach gemächlich an“, erklärt Solanki. „ Sorgen müssen wir uns also noch nicht machen, sondern erst, wenn der jetzt anstehende neue Aktivitätszyklus bis zum Herbst nicht in Gang kommt.“
3.3.08 http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/klima/

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