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- "Oberboihingen
Geopferte Forschungsfreiheit.
22. April 2008 Der Wert der vom Grundgesetz garantierten Forschungsfreiheit lässt sich selten so anschaulich beobachten wie jüngst in Oberboihingen. In dieser württembergischen Gemeinde, nördlich von Nürtingen gelegen, befindet sich nämlich das „Hofgut Tachenhausen“, auf dem die Agrarwissenschaftler der Hochschule Nürtingen-Geislingen zu Versuchszwecken gentechnisch veränderten Mais anbauen wollten - auf 0,3 Hektar.
Seit 1992 hat die Hochschule viele Prozesse gegen Gentechnikkritiker gewonnen, sogar vor dem Bundesgerichtshof; jetzt traf die Leitung der Hochschule eine Entscheidung, die leider eine Niederlage für den Rechtsstaat ist: Sie gab dem Protest und dem öffentlichen Druck der Globalisierungsgegner nach und entschied, dem Agrarwissenschaftler Andreas Schier künftig die Freisetzungsversuche nicht mehr zu erlauben.
„Ich werde vorerst nicht mehr forschen, sondern ich werde theoretische Vorträge halten“, sagt Professor Schier. Die Gentechnik- und Globalisierungskritiker hatten den Acker, auf dem der Mais ausgesät werden sollte, verwüstet und ihn für den wissenschaftlich dokumentierten Versuchsanbau unbrauchbar gemacht.
Schier ist der einzige Professor in Baden-Württemberg, der Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen macht. Und für den transgenen, im Gewächshaus angebauten Hopfen in Hohenheim interessieren sich die Kritiker nicht. Der Wissenschaftler sagt, die Politik habe wenig zur Unterstützung beigetragen, die Studenten allerdings schon: Von 240 Studenten der Agrarwissenschaften unterschrieben 160 ein Kommuniqué.
Einige Studenten sehen die grüne Gentechnik auch eher kritisch, gegen die selbst auferlegte Beschränkung der Forschungsfreiheit wenden sie sich aber: „Es gilt klarzustellen, dass der Anbau von gentechnisch verändertem Mais zu Forschungszwecken in Tachenhausen nicht illegal ist, sondern vielmehr den geltenden gesetzlichen Regelungen entspricht“, heißt es in der Erklärung der Studenten.
Zwangsläufig stelle sich die Frage, wie es um das „demokratische Rechtsverständnis der Besetzer“ bestellt sei. Offenbar ist diesen nur das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit etwas wert." FAZ 21.4.
- "Kaiser Zhengtongs Tragik. Angus Maddison analysiert die Welt seit Christi Geburt
Kaiser Zhengtong ist eine tragische Figur der Weltgeschichte. Er wollte das Beste für sein Volk und trieb es doch in eine fast 500 Jahre andauernde Stagnation. Verteidigen kann sich der chinesische Herrscher nicht mehr, doch die Statistiken von Angus Maddison sind entlarvend. Der emeritierte Professor aus Groningen beschäftigt sich seit langem mit makroökonomischen Zeitreihen.
Ab dem Jahr 1 stellt er für alle Weltregionen Wirtschaftswachstum, Bevölkerungsentwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und anderes dar. Die Vergleichbarkeit dieser Zahlen erreicht er, indem er einen "internationalen Dollar" (Basisjahr 1990) zugrunde legt. So beträgt der Wohlstand pro Kopf im Jahr 1 gerade 500 Dollar. Am besten geht es den Menschen in Oberitalien. Rom ist auf dem Gipfel seiner Macht. Fünf Jahrhunderte später schwindet dieser Einfluss. In Europa herrschen Krieg und Armut.
Im Jahre 1000 beträgt der Wohlstand pro Kopf nur noch 400 Dollar. Bis sich dieses Niveau wieder auf den - nicht viel höheren - Wert von Christi Geburt einpendelt, vergehen erneut fünf Jahrhunderte. Erst dann besinnt sich Europa mit Renaissance und Aufklärung. Doch nun fällt Asien zurück: Indien erstickt am Kastenwesen, und Chinas Kaiser Zhengtong forciert die Abschottung von der Welt. Er - und seine Nachfolger - lassen aus Kostengründen die einzigartige Hochseeflotte des Landes verrotten.
Maddisons Zahlen belegen, dass das Land erst Mitte des 20. Jahrhunderts wieder mit dem Westen aufschließen kann. Den Menschen in Nordamerika und Europa geht es inzwischen immer besser. Grund sind eine Rechtsordnung mit Wettbewerb und Eigentumsschutz. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges liegt der Wohlstand pro Kopf bei 1500 Dollar, heutzutage sind es - auch dank des weltweiten Handels - 6500 Dollar. Maddison begnügt sich nicht mit dem weltweiten Durchschnittswert. Gut geht es, wo sich die Menschen eine Marktwirtschaft erstritten haben.
Weshalb aber gibt es auch hier immer noch Arme? Profitieren nur wenige Reiche, die den Durchschnitt nach oben verzerren? Diese Befürchtungen kann Maddison anhand Statistiken wie der Lebenserwartung zerstreuen. Er belegt: Die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben breiter Schichten sind Wettbewerb und Recht. Ohne Wettbewerb und Recht würde noch heute jedes zweite kranke Kind sterben, fließendes Wasser wäre ein Traum und Internet nicht vorstellbar. Kein Globalisierungsgegner dürfte in das Mekka der "Zivilisationsaussteiger", nach Goa, fliegen, und vom Aufstand der tibetischen Mönche gegen chinesische Unterdrückung könnte keine Zeitung berichten.
Und was geschieht bis 2030? Deutschland geht etwas die Puste aus. Breite Bevölkerungsschichten müssen Verzicht üben. Grund sind zu wenig Wettbewerb und ein starres Arbeitsrecht. China brummt, wird Wirtschaftsmacht Nummer eins, aber auch die Vereinigten Staaten behaupten sich eindrucksvoll. ... FAZ 21.4. // Dazu kommt noch der zunehmende Umweltfanatismus, der nicht nur die Biotechnik gewaltsam bekämpft.
- Wer sieht, wie Saudis im Büro und Börsensaal auch beim Telefonieren ihr Kopftuch tragen, gewinnt einen Eindruck von der Klebrigkeit der Tradition. Sie ist Nachahmung über die Generationen hinweg.
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