Ein neidvoller Blick auf Frankreich
Zu "Gabriel stellt sich auf einen Atomwahlkampf ein" (F.A.Z. vom 12. Juli): Welche Nachteile Deutschland durch politische Entscheidungen gegen die Kernenergie erlitten hat, lässt sich durch Vergleiche mit Frankreich verdeutlichen. Frankreich produziert fast dreimal so viel Strom aus Kernenergie (450 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr) wie Deutschland (167 Mrd kWh/Jahr). Planwirtschaftliche und verteuernde Maßnahmen durch (Umwelt-)Steuern, Subventionen und den Emissionsrechtehandel sowie zusätzliche Kohlendioxid-Minderungen entsprechend der Kyoto-Vereinbarung sind dort nicht erforderlich. Die Emissionen an Kohlendioxid je Einwohner betragen nur 60 Prozent derjenigen in Deutschland. Deutschland hat dagegen im sogenannten "EU Burden Sharing" den Hauptanteil der entsprechenden Verpflichtungen übernommen.
Wäre es nicht sinnvoller, Kernenergie aus Frankreich zu beziehen und so der Kyoto-Forderung zu entsprechen, ohne planwirtschaftliche Zwänge dazu anwenden zu müssen, die bei uns zu Preissteigerungen und Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Energiepreise führen? In Deutschland lagen die Industriestrompreise 2006 um vierzig Prozent über dem mittleren EU-Preis, während sie in Frankreich sogar um 23 Prozent darunter lagen. Würden übrigens alle dreißig OECD-Länder ihren Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner auf den Wert der Franzosen senken, so ließe sich damit eine Kohlendioxid-Minderung erzielen, die dem Anderthalbfachen der gesamten EU-Emissionen im Jahr 2004 entspricht. Die Nachfrage nach Öl und Gas sowie ihr Preis gingen zurück, was die Energiekosten bei und in den Entwicklungsländern senken würde.
Unser Bundesumweltminister aber lässt sich lieber von einem eingetragenen Verein von Kernenergiegegnern (Öko Institut e.V., Darmstadt) eine Expertise erstellen, die angeblich beweist, dass "Atomstrom weder billig noch gut fürs Klima" sei (Pressemitteilung vom 24. April 2007). Den Rat weltweit renommierter deutscher Forschungsinstitute und Akademien der Wissenschaft, die ideologisch nicht gebunden sind, schlägt er in den Wind. Zum Beispiel das Gutachten der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften "Die Energieversorgung sichern" von Mai 2006.
Professor Dr.-Ing. Klaus Knizia, Herdecke
Text: F.A.Z., 18.07.2008, Nr. 166 / Seite 38
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