Strizz, Reiche, FAZ
Fehlendes Vertrauen in den Markt. Von Thorsten Polleit.
Die Erschütterungen, die die globale Finanzarchitektur durchziehen, versetzen professionelle Investoren wie auch private Anleger in Sorge. Doch die Furcht vor einem Zusammenbruch des Geldsystems, vergleichbar etwa mit dem Ende der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wäre ein schlechter Ratgeber. Im günstigsten Fall kehrt das Vertrauen in die Kreditmärkte zurück. Krisensymptome wie abnehmende Handelsvolumina, steigende Kreditzinsen sowie fallende Wertpapierkurse würden sich zurückbilden und Finanzhäuser vor einem weiteren Abwärtsstrudel bewahren.
Doch kaum einer will sich noch auf die Bereinigungskraft des freien Marktes verlassen. So werden sich wohl die Regierungen aufmachen und die Sache in die Hand nehmen. An Instrumenten herrscht kein Mangel. Strauchelnde Banken können nationalisiert oder ihre Verbindlichkeiten garantiert werden. Möglich ist auch, dass Regierungen Schuldverschreibungen an Finanzinstitute übertragen und so deren Eigenkapital aufpolstern. So wurde beispielsweise in Deutschland bei der Umstellung der Reichsmark auf die D-Mark vorgegangen - man nannte die damals ausgegebenen Papiere "Ausgleichsforderungen".
Regierungen können auch einen "Auffangfonds" auflegen, der problembeladene Kredite aufnimmt und mit Staatsanleihen refinanziert - ganz so, wie mit den Folgen der amerikanischen Sparkassenkrise Ende der achtziger Jahre verfahren wurde. Alternativ können die staatlichen Zentralbanken den Geschäftsbanken Verluste ersparen, indem sie ihnen Wertpapiere und Kredite abnehmen und so das Eigenkapital der Banken vor einem weiteren Schrumpfen bewahren. Das Inflationieren jedoch wäre keine gangbare Strategie der Entschuldung. Denn eine steigende Inflation führt zu steigenden Zinsen, die wiederum Dauerschuldner, die ihre Kredite neu finanzieren müssen, in die Pleite führen könnten. Somit würde das Problem, das man entschärfen will, noch verstärkt.
Welche dieser staatlichen "Rettungsmaßnahmen" auch bemüht werden, sie dürften so machtvoll sein, dass Kreditgeber und Einleger der Banken nicht um ihr Geld fürchten müssen. Zum Nulltarif ist all das jedoch nicht zu haben: Die Finanzierung erfordert Steuererhöhungen oder Staatsverschuldung, die die Einkommen der Privaten heute oder morgen sozialisieren. Wie groß die Rechnung ausfällt, lässt sich derzeit kaum verlässlich abschätzen. Als besonders kostenträchtig dürfte sich erweisen, dass die Übelstände einem kapitalistischen Finanzmarktgeschehen zugeschrieben werden, obwohl sie doch eigentlich Folge eines Geldsystems sind, das gewissermaßen planwirtschaftlich verfasst ist. Es ruht auf der Hoffnung, staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben - in diesem Fall in seinen wohl wichtigsten Koordinationsmechanismus: dem Angebot von Geld - würden bessere Ergebnisse erzielen, als wenn das Geld von Privaten bereitgestellt wird. Auch die jüngste Krise und ihre Kosten scheint diese Hoffnung nicht wirklich erschüttert zu haben.FAZ 22.9.08
Der Autor ist Chefvolkswirt von Barclays Capital.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen