Donnerstag, 25. Dezember 2008

Materieller Wohlstand, Minderheiten im Islam


Trüber Weihnachtstag, Wald und Feld, 3-6°

- Der nie dagewesene, breite, märchenhafte materielle Wohlstand und die große Ersparnisbildung, die beide den Leichtsinn fördern (und Buch- und Spielgeld vermehren) haben einen erfreulichen Hintergrund: seit 1945 gab es keinen großen Krieg mehr, es brauchen nicht jeden Monat massenhaft abgeschossene Panzer ersetzt zu werden, die Städte werden nicht mehr quadratkilometerweise zerbombt und verbrannt; insofern besitzt diese Buchgeldkrise einen erfreulichen Hintergrund.

- Minderheiten im Islam. Kritik der Toleranz-Legende: Duldung war nicht Gleichstellung. FAZ 15.5.02
In der jüngsten Diskussion um das, was man als "muslimischen Antisemitismus" bezeichnet hat, wurde die Rechtsstellung nichtmuslimischer Minderheiten in islamischen Gesellschaften thematisiert. Daß schon der Koran "die Leute (das Volk) des Buches" (ahl al-kitab) - das sind in erster Linie Juden und Christen als Bekenner einer Offenbarungsreligion, also eines Buches - als Minderheiten inmitten der muslimischen Gemeinschaft geduldet hat, wird immer wieder als Zeichen der Toleranz des Islam hervorgehoben. Doch eigentlich kann von Toleranz im heutigen Sinne nicht gesprochen werden, höchstens von Duldung, welche nach Goethe jedoch auch eine Beleidigung sein kann.
Rechtlich nämlich waren die geduldeten Minderheiten als nichtmuslimische Untertanen (ahl al-dhimma) nie den Muslimen gleichgestellt. Obwohl sie und ihre Religionsausübung geduldet wurden, wenn die hierfür angesetzten Steuern entrichtet waren, konnte von Gleichheit nicht geredet werden: Ein Muslim konnte zum Beispiel zwar eine Frau aus dieser Minderheit heiraten, aber kein Angehöriger einer Minderheit durfte eine Muslimin heiraten. Gänzlich aus der islamischen Gemeinschaft ausgeschlossen wurden alle Ketzer, Manichäer und sogenannten Atheisten; und wer den Islam kritisierte oder mißachtete, einen Muslim zu bekehren versuchte oder vom Islam zu einer der Minderheiten konvertierte, konnte mit dem Tode bestraft werden. Daß die Juden oft mehr respektiert wurden als die Christen, hängt damit zusammen, daß die Juden bis 1949 staatenlos waren, während die Christen oft mit einer christlichen Macht assoziiert werden konnten, die den Muslimen gegenüber feindlich agierte.
Im Zusammenhang mit der Diskussion um die religiösen Minderheiten in muslimischen Gesellschaften ist in dieser Zeitung (F.A.Z. vom 3. Mai) auch vage auf die Studien von Bat Ye'or hingewiesen worden ("Islam and Dhimmitude. Where Civilizations Collide". Madison, Taeneck, Fairleigh Dickinson University Press 2002). Die aus Ägypten stammende und in der Schweiz lebende britische Historikerin hat die Rechtsstellung religiöser Minderheiten in islamischen Staaten untersucht, und zwar speziell unter dem Aspekt, wie diese Rechtsstellung sich heute auf das Verhältnis zu Israel auswirkt.
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt der Jerusalemer Historiker Robert Wistrich, der letzte Woche in Washington seine vom American Jewish Committee in Auftrag gegebene Studie über den Antisemitismus der islamischen Fundamentalisten vorgestellt hat (vergleiche "Haaretz" vom 7. Mai): Dieser sei eine lebensgefährliche Bedrohung für alle Christen und Juden und natürlich auch für den Staat Israel. Darum müsse sich die islamische Welt "einer Renaissance, einer religiösen Reform und einer Aufklärung unterziehen - alles während einer einzigen Generation". Auch wenn dieser Prozeß im Westen einige Jahrhunderte gedauert habe, so sei er doch auch in einer Generation möglich. Diese Forderung klingt nicht nur ungemein utopisch, sondern sie erinnert auch fatal an die Forderungen europäischer Antisemiten zwischen 1870 und 1930: Die Juden könnten nur dann als gleichwertige Bürger akzeptiert werden, wenn sie sich selbst sofort vom Judentum als solchem durch eine aufgeklärte Reform emanzipierten. Konnte man im Mittelalter zwar nicht von Toleranz, aber doch von Duldung sprechen, so scheint heute selbst eine Duldung der anderen nicht mehr möglich. Nationale Interessen und das Streben nach Macht begrenzen das Recht, besonders das der anderen.
FRIEDRICH NIEWÖHNER

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