Mittwoch, 24. Dezember 2008

Weihnachtsbotschaften, Mende Nazer



- 1. Weihnachtsbotschaft : Trichet: '„Respektiert den Pakt für Stabilität“
Vor zehn Jahren wurde der Euro eingeführt. Inzwischen hat er sich als stabile Währung etabliert. ..." FAZ
- 2. Weihnachtsbotschaft: "
«Es ist keine grosse Depression in Sicht» . Laut Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann gibt es mehr Unterschiede als Parallelen (zu 1932/33, WD). ... 10000 von 15000 Banken gingen damals bankrott ..." 19. Dezember 2008, NZZ Online
- 3. Weihnachtsbotschaft: Der Vergleich mit 1932/33 ist völlig unsinnig, weil der unglaublich gestiegene materielle Wohlstand der eigentliche Krisengrund ist. Viele Märkte in den Wettbewerbswirtschaften sind gesättigt, es bestehen dort Überkapazitäten, wie insbesondere der US-Automarkt zeigt. Wer schon zwei Autos hat, kauft ein drittes nur zögerlich. Zudem wuchs die Lebensdauer und die Qualität der Autos enorm. Wer heute einen Twingo fährt, kann sich nicht vorstellen, was für eine minderwertige, unaufhörlich rostende Keksdose der damalige Twingo, der R4, vor vierzig Jahren war, von dem fahrenden Pappkarton 2CV nicht zu reden (ich habe es überlebt!). Die Ersparnisbildung wuchs ähnlich, was zu großen Anlagesummen führte, die in diesem Jahr wertberichtigt wurden. Weswegen es sich anders als 1932/33 im großen und ganzen um eine Buch- und SPIELGELDKRISE handelt.

- Originell: Weihnachtsansprache: Köhler fordert Anstand, Bescheidenheit und Maß.

- Keine Weihnachtsbotschaft: SKLAVEREI: Mendes Martyrium .
Jahrelang diente Mende Nazer einer reichen arabischen Familie als Sklavin – erst im Sudan, dann mitten in London.
Mende war zwölf, als ihr Leben zerbrach. „Allahu akbar!“, gellte es durch ihr Dorf in den Nubabergen im Sudan, „Gott ist groß!“ Arabische Reiter preschten heran, brannten die Lehmhütten nieder, schnitten Männern die Kehle durch, stürzten sich auf Frauen und Kinder. „Ich sah, wie sie einer Schwangeren den Dolch in den Leib rammten. Ich sah Araber auf Nubafrauen“, erzählt Mende, und die Erinnerung lässt sie zittern.
Die Reiter verschleppen Kinder, auch Mende. Einer führt sie in den Wald, vergewaltigt sie. Das geht den meisten Mädchen so und vielen Jungen. Sie werden in einem Militärlager festgehalten, mit entsetzlichen Schmerzen von den Torturen, die sie erleiden mussten. Dann kommt ein Araber und karrt Mende und vier andere auf einem Lastwagen in die Hauptstadt Khartum, wo er sie verkaufen wird – als Sklaven.
Es klingt wie eine Schauergeschichte aus den alten Zeiten des finsteren Afrika. Doch Mende Nazer ist heute gerade Anfang zwanzig. Sechs Jahre lang, so berichtet sie, wurde sie als Haushaltssklavin gehalten, erst in Khartum und dann in Europa, im ordentlichen Londoner Stadtteil Willesden Green. Sechs Jahre lang musste sie schwer arbeiten, ohne Lohn, ohne Pause, ohne Freizeit. Sie durfte ihr Gefängnis nicht verlassen, wurde geprügelt und gedemütigt. „Yebit“, nannten ihre Peiniger sie, „Mädchen, das es nicht wert ist, einen Namen zu tragen“.
Die Versklavung der Schwarzen im Sudan geschieht nach immer gleichem Muster, sagt der britische Soziologe Kevin Bales, der das Standardwerk „Die neue Sklaverei“ verfasst hat. Arabische Milizen überfallen die Dörfer mit Billigung der Regierung. Sie entführen vor allem Frauen und Kinder, deren Willen leichter zu brechen ist. 150 Dollar bringt ein Sklave auf dem Markt von Khartum. Die Zahl der Fälle im Sudan geht in die Tausende, weltweit leben heute geschätzte 27 Millionen Menschen in Sklaverei, mit deutlich steigender Tendenz. Die Formen reichen von Sexdienerinnen in Thailand über Arbeiter, die ohne Lohn im Bergbau Brasiliens schuften müssen, bis zu Haushaltssklaven in westlichen Großstädten.
Nach ihrer Flucht hat Mende den Journalisten Damien Lewis kennen gelernt, der ein Dutzend Mal im Sudan war, um über Krieg und Sklaverei zu berichten. Mit ihm zusammen schrieb sie ihre Erlebnisse auf. Das Buch „Sklavin“ erscheint kommende Woche auf Deutsch – ein bewegender Bericht über Mendes Martyrium.
In Khartum wird sie an eine reiche arabische Familie verkauft, so erzählt sie. Sie muss ihr den Haushalt führen: putzen, waschen, kochen – später auch die vier Kinder hüten. Die „Herrin“ prügelt ihr Gehorsam ein, mit einem hölzernen Pantoffel oder mit einem Gummischlauch. Einmal versengt sie ihr den Arm mit einer heißen Kelle. Die Narben sind deutlich zu sehen. „Die Schläge waren schlimm“, erzählt Mende. „Aber das Schlimmste war die Einsamkeit.“ Sie weiß nicht, ob ihre Familie in den Nubabergen noch lebt. Sie denkt an Flucht, aber wo soll sie hin? Sie kennt niemanden in Khartum, die Polizei würde sie zurückschicken.
Die Wende kommt 2000, Mende ist inzwischen 19. Sie wird nach London weitergereicht – zur Schwester ihrer Herrin, der Gattin des sudanesischen Diplomaten Abdoul Mahmoud Al Koronky. Zunächst wird alles noch schlimmer: Das Haus ist größer, ihre neuen „Besitzer“ streng, die Heimat unendlich fern. Zerrüttet und gebrochen denkt Mende an Selbstmord, aber noch will sie nicht aufgeben.
Schließlich ergibt sich die Gelegenheit zur Flucht: Die Familie verreist, Mende bleibt bei einem Mitarbeiter der Botschaft, der sie zum Einkaufen aus dem Haus lässt. Auf der Straße sieht sie einen Afrikaner, unverkennbar aus dem Sudan. Er gibt ihr die Telefonnummer eines befreundeten Nuba. Die beiden verabreden Mendes Flucht in die Freiheit.
Es ist der 11. September 2000, Mende bringt den Müll vor die Tür, wie so oft. Doch dann läuft sie einfach los, die Auffahrt hinunter und auf die Straße, wo die Helfer warten. Heute, zwei Jahre danach, steht sie zum ersten Mal wieder vor dem Haus. Nur ganz kurz wagt sie, das schützende Auto zu verlassen. „Dies war mein Gefängnis“, presst sie hervor. Tränen rinnen ihr übers Gesicht. Das Haus ist unauffällig: ein Fachwerkbau mit gepflegtem Garten und zugezogenen Vorhängen. Arbeiter renovieren die Küche. „Sind sie wirklich ausgezogen?“, fragt Mende immer wieder.
Es hat sich viel geändert in den vergangenen beiden Jahren. Der Fall hat Aufsehen erregt. Al Koronky, am Ende Geschäftsträger des sudanesischen Botschafters, bestreitet Mendes Vorwürfe. Sie sei freiwillig in seinem Haushalt beschäftigt gewesen. Inzwischen ist er zurückgekehrt in den Sudan. Aus der Botschaft hat Damien Lewis erfahren, dass weltweit Memos an die sudanesischen Vertretungen gingen: Werdet eure Sklaven los!
Mende hat Asyl beantragt. Ihre Eltern und Geschwister, die den Überfall aufs Dorf alle überlebt haben, konnte sie bisher nur am Telefon sprechen. In den Sudan zu reisen erscheint ihr zu gefährlich. Sie hat Angst um ihre Familie, hofft aber, dass die wachsende öffentliche Aufmerksamkeit sie schützt.
Mende träumt von Gerechtigkeit: Menschenrechtsgruppen lassen prüfen, ob sie Al Koronky oder die sudanesische Regierung verklagen kann – mit wenig Aussicht auf Erfolg. Am Morgen melden die Zeitungen wieder, dass Briten und Amerikaner Angriffe gegen den Irak erwägen. „Gut“, sagt Mende. „Aber was ist mit dem Sudan?“ ' FOCUS Nr. 38 (2002) 16.09.02

Keine Kommentare: