Auch 2009: der richtige Angang zählt!
- LINDE: Indischer 350 Mio.-Auftrag für Ethylenanlage
- 'Mag ich ein Unding sein
FAZ 31.12.08
Zur Kritik der Anerkennungswirtschaft: Das aktuelle Heft der Zeitschrift "Tumult" widmet sich den Strategien der Diskretion.
Die Zeitschrift "Tumult" ist nicht leicht zu beschreiben. Über die Jahre hat sie Gegenstände, deren Aktualität oft erst auf den zweiten Blick einleuchtete - "Zoopolitik" oder "Katechon" - in Themenheften behandelt, auf intellektuell anspruchsvollste Weise, aber wiederum nicht "kulturwissenschaftlich", sondern in der Form von Essays, die zwar vom forschenden und philosophischen Geist berührt waren, in denen aber doch erkennbar ein Subjekt sprach, das Gedanken nie ohne Erfahrungen mitteilte. Der Untertitel der Hefte, "Schriften zur Verkehrswissenschaft", formulierte änigmatisch eine Distanz zu den akademischen Ressorts.
Zu den Autoren gehörte von Beginn an Frank Böckelmann, der auch im gerade erschienenen Heft wieder vertreten ist ("Was bin ich? Diskretes Dasein im Netzzeitalter", in: Tumult Band 33: "Unter uns. Strategien der Diskretion". Alpheus-Verlag, Berlin 2008).
Seine Jugendenergie hatte Böckelmann, 1941 in Dresden geboren, der "Subversiven Aktion" gewidmet, einer Gruppe, die die Studentenrevolte im Geist von Marx und Freud, von Marcuse und Adorno leise vorbereitete. Doch als das Jahr achtundsechzig gekommen war, da fand man ihn schon nicht mehr unter den Kadern. Er hatte wieder nachgedacht. Er war aber auch kein Renegat im schlichten Verstand geworden. Vielmehr hatte er mit dem Prozess der kritischen Reflexion nie aufgehört.
Diese Reflexion galt stets dem Begriff der Persönlichkeit, zunächst der "autoritären", dann aber immer mehr der eher an Gehlen als an der Linken orientierten Frage, welche Persönlichkeit sich herausbildet, wenn einmal die traditionellen Formungsinstitutionen an Geltung eingebüßt hatten - in einer Epoche der "Diffusion" und der "Indifferenz". Inzwischen hat Böckelmann seiner Skepsis gegenüber der damaligen Bewegung eine neue begriffliche Fassung gegeben. Der Furor der Selbstverwirklichung, so könnte man seine These zusammenfassen, war ja nur das Vorspiel. "Wir wollen alles" hieß die Zeitschrift der Frankfurter Gruppe "Revolutionärer Kampf", die erstmals 1973 erschien. Dreiundzwanzig Jahre später kam das Lied der Schlagersängerin Gitte: "Ich will alles / Und zwar sofort. / Eh' der letzte Traum in mir zu Staub verdorrt. / Ich will leben. / Will mich geben. / So wie ich bin." Die Haltung von 1973 war mit minimalen Veränderungen - aus dem "wir" war das "ich" geworden - ganz ohne Klassenkampf tradierbar geworden, nämlich radikalkonsumistisch und vor allem hemmungslos expressiv, wie der Liedtext dann weiter behauptete: "Ich sage nie mehr vielleicht, / ich schrei hinaus, was ich fühl / Und setzte alles aufs Spiel / Ich will mehr / ich will mehr / ich will alles." Jeder kennt aus der Werbung, aus den Fernsehkrimis und -dramen die Gestik und den Ton des hier idealisierten Menschentyps.
In Böckelmanns Deutung liest sich die neue, postautoriäre Persönlichkeit so: "Der Rechtsnachfolger aller Zugehörigkeiten ist der Anspruch auf Selbstverfügbarkeit und ein erhöhtes Selbstwertgefühl - nach der homogenen Währung der Geltungsmärkte." Wenn die Bastionen des älteren Selbstbewusstseins für geschleift erklärt sind - Böckelmann nennt Religion, Herkunft und Sprache, Kulturlandschaft und Gemeinwesen -, dann bleibt einerseits nur der Vertrag, andererseits ein Ich, das auf absoluter Selbstverwirklichung besteht und dabei noch den Bonus einheimst, seine Haltung weiterhin als "Opposition" deklarieren zu können.
Das ist, obwohl Böckelmann es an einer Stelle entschieden dementiert, Kulturkritik, und zwar im Stil durchaus ähnlich jener frühen in der "Subversiven Aktion". Nur dass eine neue Gelassenheit den Kritiker auszeichnet. Neben der zeitfressenden Autobahn liegen ja noch die alten Ortsnamen wie "Spielmannshöhe" oder "Rabenhütte". Und es wäre falsch, in solcher Bezauberung durch Namen nur eine verspätete Rezeption Heideggers durch den einstmals Subversiven sehen zu wollen. Denn gerade Adorno war es, der in der "Negativen Dialektik" den Sprachklängen die Kraft einer philosophischen Vorschule zugetraut hatte.
Noch unterhalb der Namenssprache liegt die Sphäre des Geräuschs, die Böckelmann feiert: "Das Rauschen von Reifen, an- und abschwellend. Die Schritte eines Passanten, karg auf den Bürgersteig klopfend. Zwei hastige, ferne Stimmen, einander ins Wort fallend." Einen Vierzeiler des Angelus Silesius hat Böckelmann seinem Essay vorangestellt: "Ich bin ein selig's Ding, / mag ich ein Unding sein, / Das allem, was da ist, / nicht kund wird, noch gemein." ' FAZ, LORENZ JÄGER, 31.12.08
- : Köstlich, die sozialdemokratische Variante der Bildungsrede! Das bringt den Geist des Schilderwechselns bei des Kaisers neuen Schulen auf den Punkt. Allerdings ist es immer sinnvoll, bei Senecas NON VITAE, SED SCHOLAE DISCIMUS („ ... nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir.“ Seneca, Briefe an Lucilius, 106. Brief) zu beginnen. Hätte Kaube für das Leben gelernt, oder würde er auch nur gelegentlich den besten Teil der FAZ, den Wirtschaftsteil lesen, dann wüßte er, daß wir Aluminium haben, die wunderbaren Aluminiumhütten produzieren es, allerdings: "Krisentreffen zu Hamburger Aluminiumhütte. Verschiebung der Stilllegung möglich / Großinvestition in Katar bedroht alle deutschen Standorte von Norsk Hydro" (6/05), die energieintensiven Aluhütten werden ausgerottet durch eine Koalition von Politikern, die in der Schule Caesars Gallischen Krieg gelesen haben, und solchen, die über Wallraffs Sozialreportagen promoviert wurden. Bildung ist ein schwieriger Prozeß, verdienstvoll, das zu benennen. Bildung braucht Intelligenz und kann zur Klugheit führen, muß aber nicht. Wettbewerb, Ansporn, und Belohnung der Mühe sind dabei umumgänglich. Dazu gehören auch unbürokratische, private Organisationsformen. Komm. zu: " Bestanden? Aber wir haben doch gar nichts gelernt!
Was ist uns lieber: eine reiche oder eine kluge Bevölkerung? Solange Schulen und Universitäten nicht zur Selbständigkeit erziehen, sind wir von beidem weit entfernt. Einige Vorschläge zur Klärung unserer Bildungsziele, die mit einer Reform nichts zu tun haben. " Von Jürgen Kaube, FAZ 2.1.09
- Übrigens: "Arbeitsmarkt Versicherungen. Es geht auch ohne Studium.
In der Versicherungsbranche ist eine Karriere auch ohne Studium möglich. Das Einstiegsgehalt beträgt etwa 35.000 Euro im Jahr und kann sich in den folgenden Jahren auf Höhe der doppelten Summe einpendeln. Aber auch Akademiker wie Versicherungsmathematiker sind sehr gefragt. ..." FAZ 21.12.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen