Sonntag, 24. Januar 2010

Heinrich Heine: Lieber etwas mehr




Nicht Bruder Jakob, sondern Onkel James de Rothschild (1792-1868): finanzierte nicht nur den Gare du Nord

Heinrich Heine (1797-1856): "mich bei dem großen Anleihn von 500 Mio. so hoch als möglich zu beteiligen" (an James de R.)


- Kredit: Die Schuldenwirtschaft hat nicht nur die Lombarden, die Fugger und Rothschild reich gemacht, sondern uns alle, man vergleiche die mittelalterliche Rückständigkeit der arabischen Länder mit ihrem islamischen Zinsverbot. Über seine Millionärsonkel Salomon Heine und Jakob (ab 1822 James de) Rothschild hat auch Heine seinen Bücher-Profit speziell aus dem "Buch der Lieder" und dem "Romanzero" in den Eisenbahnbau investiert. Alle sind damit gut gefahren, auch die in der "Holzklasse". Inzwischen hat der Wohlstand die Anlagegelder für den Ruhestand vervielfacht und damit auch das Anlageproblem in eine neue Größenordnung gehoben. Besonders Kleinanleger lieben Derivate, weil der Einsatz viel kleiner ist als bei Aktien, der Gewinnhebel aber viel größer. Das steigert das Risiko, besonders, wenn Kreditfinanzierungen dazukommen. Die Kreditvergabe wurde vielfach, siehe die Häuserkredite, die am Anfang der Finanzkrise standen, zu großzügig gehandhabt. Ganz nach Heines Rat in "Ideen. Das Buch Le Grand": "... ich rathe aber jedem, in solchen Fällen immer einige Groschen mehr zu borgen: denn man kann nicht wissen."

- Eisenbahnen, Straßen: Zwischen 1826 und 1856 " dehnte sich das Streckennetz der europäischen Eisenbahnen explosionsartig von 45 km auf 32.101 km aus. Und die Straßen - allein in Preußen vervierfachte sich das Netz von 3.800 km im Jahre 1816 auf 16.000 km. Diese Veränderungen revolutionierten das Verkehrswesen und waren entscheidend für das wirtschaftliche Wachstum in Europa. Die Transportpreise pro Tonnenkilometer fielen von 18 Pfennigen 1840 auf 10 Pf. im Jahr 1850 und lagen 1860 bei 7 Pf. - ein Produktivitätsanstieg von 4,6% pro Jahr! " (Dietmar Meyersiek in: "Ich Narr des Glücks", D'dorf 1997, S. 189)

Pferd und Esel

Auf eisernen Schienen, so schnell wie der Blitz,
Dampfwagen und Dampfkutschen
Mit dem schwarzbewimpelten Rauchfangmast
Prasselnd vorüberrutschen.
Der Troß kam einem Gehöft vorbei,
Wo über die Hecke guckte
Langhalsig ein Schimmel; neben ihm stand
Ein Esel, der Disteln schluckte.

Mit stierem Blick sah lange das Pferd
Dem Zuge nach. Es zittert
An allen Gliedern, und seufzt und spricht:
Der Anblick hat mich erschüttert!

Wahrhaftig, wär ich nicht von Natur
Bereits gewesen ein Schimmel,
Erbleichend vor Schrecken wär mir die Haut
Jetzt weiß geworden, o Himmel!

Bedroht ist das ganze Pferdegeschlecht
Von schrecklichen Schicksalsschlägen.
Obgleich ein Schimmel, schau ich jedoch
Einer schwarzen Zukunft entgegen.

Uns Pferde tötet die Konkurrenz
Von diesen Dampfmaschinen -
Zum Reiten, zum Fahren wird sich der Mensch
Des eisernen Viehes bedienen.

Und kann der Mensch zum Reiten uns,
Zum Fahren uns entbehren -
Ade der Hafer! Ade das Heu!
Wer wird uns dann ernähren?

Des Menschen Herz ist hart wie Stein;
Der Mensch gibt keinen Bissen
Umsonst. Man jagt uns aus dem Stall,
Wir werden verhungern müssen.

Wir können nicht borgen und stehlen nicht,
Wie jene Menschenkinder,
Auch schmeicheln nicht wie der Mensch und der Hund -
Wir sind verfallen dem Schinder.

So klagte das Roß und seufzte tief.
Der Langohr unterdessen
Hat mit der gemütlichsten Seelenruh
Zwei Distelköpfe gefressen.

Er leckte die Schnauze mit der Zung,
Und gemütlich begann er zu sprechen:
Ich will mir wegen der Zukunft nicht
Schon heute den Kopf zerbrechen.

Ihr stolzen Rosse seid freilich bedroht
Von einem schrecklichen Morgen.
Für uns bescheidne Esel jedoch
Ist keine Gefahr zu besorgen.

So Schimmel wie Rappen, so Schecken wie Fuchs,
Ihr seid am Ende entbehrlich;
Uns Esel jedoch ersetzt Hans Dampf
Mit seinem Schornstein schwerlich.

Wie klug auch die Maschinen sind,
Welche die Menschen schmieden,
Dem Esel bleibt zu jeder Zeit
Sein sicheres Dasein beschieden.

Der Himmel verläßt seine Esel nicht,
Die ruhig im Pflichtgefühle,
Wie ihre frommen Väter getan,
Tagtäglich traben zur Mühle.

Das Mühlrad klappert, der Müller mahlt
Und schüttet das Mehl in die Säcke;
Das trag ich zum Bäcker, der Bäcker backt,
Und der Mensch frißt Bröte und Wecke.

In diesem uralten Naturkreislauf
Wird ewig die Welt sich drehen,
Und ewig unwandelbar wie die Natur,
Wird auch der Esel bestehen.

Moral

Die Ritterzeit hat aufgehört,
Und hungern muß das stolze Pferd.
Dem armen Luder, dem Esel, aber
Wird niemals fehlen sein Heu und Haber.

Heinrich Heine, etwa 1854

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