Mittwoch, 24. Februar 2010
Vorbild Thomas Darling, David Riesman: Die einsame Masse
- VORBILD: Thomas Darling, gest. 1789 "A gentleman of strong mental powers . . . habituated to ... "
Ein edler Mensch von hohen Geistesgaben / wohlbeschlagen in Wissenschaft und Literatur / ... / Von tiefer Einsicht und gesundem Urteil, / geachtet für seine Bescheidenheit / und Redlichkeit, seine Güte und Selbstbeherrschung / im Umgang mit Menschen ehrlich und wohlwollend / ein immer liebenswürdiger Gesellschafter. / Und versah eine Anzahl öffentlicher Ämter / mit Treue und Würde, bewies hervorragende / Fähigkeiten als Staatsmann und Richter, / ein früher Lehrer des Christentums, / das er dauerhaft liebte, schützte und zierte / mit einem wohlbegründeten und festen Glauben / an seinen Gott und Heiland: / er kannte keinen anderen Herrn.
Grabinschrift auf einem Friedhof in New Haven (zit. nach David Riesman, Die einsame Masse, 1950/56, S. 120)
Man wird Thomas Darling wohl als Vorbild im öffentlichen Leben seiner Zeit ansehen können, als ein gutes Beispiel persölicher und öffentlicher Integrität im reformierten, calvinistischen Glauben. Man darf in ähnlicher, katholisch modifizierter Weise auch an die beiden Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. denken, an die Nonne Mutter Theresa. Sie waren und sind Orientierungsfiguren für Menschen, denen diese Orientierung aus eigener Leistung schwer fällt. Wenn man Riesmans Denken folgt, dann sind das in der Moderne mehr, nicht weniger geworden. Grund genug also, peinlich darauf zu achten, daß öffentliche Ämter nur von vorbildlichen Personen ausgeübt werden, diese kritisch zu beurteilen, ohne dabei in Beckmesserei zu verfallen, aber auch nur menschlichen Kredit zu geben, aber keinen für Fehlverhalten im Amt.
Das Vorbild entfaltet seine Kraft schon früh in der Familie; Kinder werden zwar nicht wie junge Tiere auf die Eltern geprägt, aber elterliche Vorbilder im Sinne der Eigenschaften des Thomas Darling sind natürlich von unschätzbarem Vorteil. Das gilt ebenfalls, wenn auch weniger stark, für weitere Bezugspersonen sowie Lehrer etc. Was da vor Augen steht sind Handlungsmuster, die sich sehr oft und sehr lange wiederholen und sich so einprägen. Sie werden dadurch selbst zum Handlungsentwurf bei Kindern. Diese Wirkung des Vorbilds wird über die Wirkungsweise der 'Spiegelneuronen' verständlich, weil das beobachtete Verhalten im Kopf des Beobachters die gleichen Neuronengruppen aktiviert, als wenn er selbst die beobachtete Handlung ausführte.
Das öffentlich wahrgenommene Vorbild besitzt nicht diese eindringliche Wirkung, aber es hat viel mit sozialer Stabilität und sozialem Zusammenhalt zu tun, mit Zurechenbarkeit, Verläßlichkeit und sozialem Vertrauen. Eine dogmatische Organisation, die über stabil integrative Führungsfiguren verfügt, bietet ihren Mitgliedern einen Ort von Vertrauen und sozialer Wärme. Sie können sich daher lange in einer andersartigen Umwelt behaupten, wie man an der katholischen Kirche, den Amisch, Shakern etc. ablesen kann.
Umgekehrt kann man weiter davon ausgehen, daß der lutherische Protestantismus seinen langjährigen Niedergang fortsetzen wird.
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