Freitag, 2. April 2010

Ritalin, Depression und Dopamin




Gehirn im Querschnitt im Museum of Neuroanatomy der Universität in Buffalo
Bild: ASSOCIATED PRESS / FAZ



- Ritalin
" Hirndoping zweigleisig. Ritalin programmiert die Nervennetze um.
... Wie sich bei den standardisierten Lernexperimenten herausstellte, wirkt Ritalin an den Nervenenden zweigleisig: Es sorgt einerseits für höhere Konzentrationsfähigkeit, indem es sogenannte D2-Rezeptoren stimuliert und gleichzeitig die Erregbarkeit und damit das "Ablenkungsrauschen" von nicht am Lernvorgang beteiligten Nervenbahnen hemmt. Andererseits stimuliert es einen anderen Dopaminrezeptor, D1, der die Erregbarkeit der am stärksten aktivierten Nervenverbindungen zwischen Hirnrinde und Amygdala erhöht und damit die Lernerfolge effizient steigert. Vor allem aber wird durch die Wirkung des Mittels die Zahl der Nervenverbindungen und der Synapsen zwischen den angeregten Hirnarealen unmittelbar und messbar erhöht. Bei Tieren, die mit einer Salzlösung statt mit Ritalin behandelt wurden, hat man solche Veränderungen auch bei noch so intensivem Lerntraining nicht entdeckt. ..." FAZ 10.3.10

- Depression: " Es ist offenbar möglich, eine Depression im Gehirn gezielt an- oder abzuschalten. Zumindest ist dies bei einer 64 Jahre alten Patientin gelungen, über die Forscher vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim in der Zeitschrift "Biological Psychiatry", Bd. 67, S. e9) berichten. Den Schalthebel haben Alexander Sartorius und seine Kollegen bei Vorexperimenten in den sogenannten Habenulae identifiziert. Dabei handelt es sich um Strukturen des Hirnstamms, die symmetrisch rechts und links in der Wand der dritten Hirnkammer, also tief in der Hirnmitte liegen und deshalb für Neurochirurgen schwer zu erreichen sind. ..." Ein Schalter für Depressionen, FAZ 2. April 2010

- Belohnungssystem: " Die chemischen Spuren des inneren Zwangs
Von Joachim Müller-Jung
01. April 2010
Der Nervenbotenstoff Dopamin bekommt heute immer noch den klingenden Beinamen „Glückshormon“. Das sollte nun wohl endgültig überdacht werden. Denn Dopamin, das vor allem im sogenannten Belohnungssystem des Gehirns freigesetzt wird, jenem Netzwerk also, das im vorderen Teil des Vorder- und Mittelhirns verteilt liegt und vorzugsweise „positive“ Eindrücke vermittelt, ist keineswegs so glückverheißend, wie man sich wünschen würde. Die Gier nach Geld, das ist mit Hirnaufnahmen gezeigt worden, wird durch die Aktivierung des Dopaminsystems im Belohnungszentrum noch gesteigert, und auch bei hochgradig Internetsüchtigen hat man eine Überaktivität des Belohnungsnetzwerks festgestellt.
Jetzt hat sich in den jüngsten Untersuchungen gezeigt, dass auch fettsüchtige Vielesser einen extrem gestörten Dopaminhaushalt aufweisen und sogar das aggressive Verhalten von kriminellen Psychopathen weniger durch fehlende Empathie ausgelöst wird, als durch eine regelrechtes Überfluten des Belohnungszentrums mit Dopamin. Obwohl sie wissen, dass ihr Verhalten ihnen und anderen schadet, werden sie von dem inneren Zwang, ihre Bedürfnisse und damit das Belohnungszentrum zu befriedigen, so stark erfasst, dass sie sich auch die Bestrafung nicht mehr fürchten Das jedenfalls meint die Gruppe um den amerikanischen Psychiater David Zald von der Vanderbilt University in Tennessee. ..." FAZ

/// Der Mensch ist nicht unbedingt, was er ißt, aber er ist doch ein komplexes, proteinkybernetisches Gebilde, bzw. ein stoffwechselndes Aktions- und Reaktionspotential, eine immer wieder erstaunende funktionale Emergenz, und was dergleichen Bestimmungsannäherungen noch sein mögen. Er ist jedenfalls kein tiefenpsychologischer Apparat, wie sich das Freud und seine Schüler bis heute vorstellen. Er ist auch kein philosophisches Gebilde freier Willensbildungen, wie das Philosophen und Verwandte vermeinen. Wie wurde das Ritalin von Psychologen verdammt als Teufelsstoff, der Symptome verschleiert und die Ursachen unbehandelt läßt. Als ob freudianische Psychologenhirne Ursachen ermitteln könnten. Offenbar ist Ritalin ein Mittel, daß große, positive Langzeitwirkung aufzuweisen hat, so eine Studie mit hundert Probanden ("Pediatrics", Bd. 124, S. 71) Und Depressionen werden nicht unbedingt durch äußere Faktoren hervorgerufen, sondern können allein durch innerhirnliche Prozesse verursacht sein, durch eine Balancestörung der Nervenbotenstoffe Serotonin, Dopamin und Noradrenalin, aber auch durch Funktionsstörungen der Entgiftung bei den Gliazellen. Es werden noch viele neue Erkenntnisse dazukommen, und auch sie werden vorläufige sein. Immer mehr wird sichtbar, welch großer Zufallsraum das Gehirn mit seinen Milliarden Zellen und ihren Verknüpfungen untereinander darstellt. Kleine und kleinste Abweichungen in den Bahnen der Zellverbindungen, geringfügige Unterschiede in der Produktion von Botenstoffen können sich auswirken - positiv der negativ. Was sich an abweichenden Blutwerten zwischen verschiedenen Individuen findet, beeinflußt die körperliche Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für den unüberschaubar komplizierten Funktionsraum des Gehirns.

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