Sonntag, 15. August 2010

Wer a sagt, kann auch Eimer sagen






Symbol des Tages: Dauerregen bei 16°




- ' Vor allem in seiner Geschichtsphilosophie betont Kant zudem die produktive Rolle des Konflikts ebenso nachdrücklich wie später Hegel. Um das moralisch höchste Gut, den Frieden, durchzusetzen, verfährt die Vorsehung bei Kant ohne Rücksicht auf Moral, rein utilitaristisch. Bei Brandt liest sich das so: "Ihr ist das Toben eines Tamerlan wichtiger als die gute Tat eines Rentners, und die segenreichste Figur der neueren Rechtsgeschichte ist zweifellos Hitler, auf den die europäische Einigung, eine Friedensphase in Europa von bisher unbekannter Dauer und sogar die UNO zurückgehen." Wer hätte gedacht, dass man über Kant so schreiben kann?

Nicht so viele, denke ich, Pawlik kann ich da zustimmen in seiner Rezension von Brandts "Immanuel Kant - Was bleibt?" (FAZ 14.8.10)

Da ist sie wieder, die Denkfigur der Entgegensetzung: Tamerlans und Hitlers Toben führt zum Weltfrieden? Der Weltgeist muß zuweilen das Kriegsroß besteigen, um dem Fortschritt die Sporen zu geben? Und die Chinesen von 2010 genießen die noch bescheidenen neuen Freiheiten, weil Mao zuvor die Millionen massakrierte? Das kann nicht so ganz begeistern, das gleiche gilt für Stalins Abermillionen Tote, Pol Pot etc.
Aber steht Maos Diktatur, sie endete mit 76 - 82 Millionen Todesopfern (vgl. Rudolph Joseph Rummel, Demozid – der befohlene Tod, G. Heinsohn, Schwarzbuch, Wiki.), wirklich in einem Sinn-Zusammenhang mit dem Aufschwung Chinas in der Gegenwart? Wie unter Mao konnte es nicht weitergehen, das war nicht nur Deng klar, und das führte zu bis heute vorsichtigen Lockerungen, die aber ihre dezentrale Eigendynamik entfalteten.
Eine europäische Einigung gab es auch schon im lateinisches Mittelalter, bevor später der Nationalismus die Staaten gegeneinander trieb. Auf dem Balkan passierte Gleiches vor wenigen Jahren und steht der Nationalismus der Serben und der Albaner immer noch scharf gegeneinander. Die von Brandt angesprochene EU hat sicher eine starke Wurzel im Hitler-Krieg zuvor. Aber andere Einigungen wären durch Handel und Tourismus ebenso denkbar, zumal mit Brüssel eine Macht im Spiele ist, die zentralistisch denkt und handelt und ihren Einfluß ausdehnen will. Die vor allem bürokratisch denkt und nur schwach demokratisch legitimiert ist. Ein Koloß auf Schreibtischfüßen, blutleer und beamtenhaft wie das staatliche Belgien, in dem katholisch-französischsprachige Wallonen und niederländisch-protestantische Flamen seit jeher und immer mehr einander nicht lieben, trotz der Zusammenspannung in einem Staat. Die EU-Logik besteht darin, neue Kriege zwischen den europäischen Staaten unmöglich zu machen durch eine europäische Superstaatbildung. Ein europäischer Staatenbund nach der Vorstellung de Gaulles ("Europa der Vaterländer") besitzt ebenfalls eine friedensfördernde Eigenschaft und vermeidet die Manipulationen, Arroganzen und Betrügereien einer Zentrale und einzelner Mitglieder, die die Zentrale für ihre Zwecke einsetzen, Stichwort Griechenland.
Zudem treiben die verdichteten und grenzenlosen Kommunikationen durch das Internet zu neuen Verständnismöglichkeiten in Europa. Und in China. In Afrika. Überall, weltweit. Diese Entwicklung dürfte bedeutender als die UN-Vollversammlung sein, in der Diktatoren wie Mugabe, Achmadineschad und Gaddafi die Mehrheit bilden.
Das Internet-Phänomen braucht nicht "das Toben eines Tamerlan", um dann zum Frieden zu kommen. Es steht für eine individueller gelagerte Logik, die die herrschenden Eliten eines Landes durch Beobachtung und Kritik zu mehr Besonnenheit verleiten kann.

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