Golo Mann 1978
(Bild: Bundesarchiv / Wiki.)
“Große Kriege, geschichtliche Krisen überhaupt können unter verschiedenen Aspekten gesehen werden. Es gibt nicht den einen, einzigen, rechten Schlüssel zu ihrem Verständnis. So hat man von dem sogenannten Ersten Weltkrieg gesagt, er sei vor allem ein Duell zwischen Deutschland und England gewesen, oder zwischen Deutschland und Rußland, ein neues Kapitel in dem uralten Kampf zwischen Germanen und Slawen, ein Krieg zwischen Demokratie und Autokratie, der letzte in einer langen Kette von Konflikten zwischen Deutschland und Frankreich, und so fort. Vielleicht war er alles das und noch manches andere. Vielleicht war er im Grunde nichts von alledem und überhaupt nichts Sinnvolles, sondern eben - Unsinn."
Man sieht hier gleich, Golo Mann ist kein deutscher Patenthistoriker der Gegenwart. Bestimmte Perspektiven werden gerne in der Philosophischen Fakultät ausgeheckt und dann über die Medien verbreitet. Oft erweisen sie sich als - Unsinn.
Wer in Manns DEUTSCHER GESCHICHTE weiterliest, wird die "Unsinnsthese" hochhalten, ich jedenfalls tue es. Man hat vor ein paar Jahren im Archiv eine Notiz Wilhelms II. an seinen Kanzler gefunden, die Ausführung des Schlieffenplans zu stoppen. Es sei zu spät dafür, habe ihm Theobald von Bethmann-Hollweg geantwortet.
Überall in Europa waberte damals der Nationalismus, so wie heute der Multikulturalismus wabert. Und damals wie heute fallen darauf viele eminente Köpfe herein. Erschütternd, daß sogar ein Max Weber sich zeitweise im Zeitgeist verlor; bei einem Habermas wundert es nicht weiter.
Handeln ist immer auch anders möglich, und oft sind es Zufallsketten, die wie Handeln aussehen. Alternativen sind stets denkbar, und wenn ein Köpfchen von “alternatvlos” redet, dann geht es entweder um Täuschung oder um Dummheit. Oder um beides? Der britische Außenminister Hague will den Militäreinsatz in Syrien zugunsten der sunnitischen Banden nicht ausschließen. Sollte ihm nicht jemand die Lektionen der islamistischen Siege in Tunesien, Ägypten und Libyen weitersagen?
Revolutionen sind etwas von gestern, besonders gewaltsame Umstürze. Sie sind Kriege, die das Eigenleben von Kriegen besitzen. Die Unplanbarkeit von Kriegen in ihren einzelnen Ereignissen konstatierte schon Clausewitz. So verhält es sich auch bei Umsturzversuchen. Sie setzen Kräfte frei, die mehr zerstören können, als die alte Herrschaft es tat und tut.
1 Kommentar:
"ein Krieg zwischen Demokratie und Autokratie" - tatsächlich?
Damals (1914) war die Monarchie Deutschland "demokratischer" als die Monarchie Vereinigtes Königreich. Den Reichstag durften mehr Menschen wählen,als das Unterhaus.
Die USA wurden erst 1965 "Demokratie", lange nach dem 2. Weltkrieg.
Das Zarenreich hatte die Duma - war es deshalb demokratisch?
Die Franzosen waren Republik, wurden aber vom Geldadel beherrscht.
Also vielleicht doch Demokratie vs Autokratie - nur andersherum.
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