Sonntag, 18. November 2012
30 bis 35 Stunden
Der “Bund Freiheit der Wissenschaft” tagte in Köln in frommem Hause, auf der Leinwand noch Kardinal Newmans Maximen für die Universitätsbildung
Es war dunkel, der Professor nuschelte vor sich hin, es war schrecklich. So zitierte Elmar Tenorth auf der Tagung “Bildung durch Wissenschaft - wie ist das zu verstehen? Die Idee der Universität in ihrer Geschichte” einen Studenten, einen Hegel-Schüler. Und er stellte dazu verallgemeinernd fest, was auch möglich ist: schlechte Lehre, gute Studenten.
So kann es sein, jedenfalls ist der breit interessierte Student, der studieren will, die Hauptsache. Und wenn einer wie Albertus Magnus mit den Jahren immer noch breit interessiert und studien- und forschungsgeneigt ist, dann können ihm, was läge näher, die Umrisse einer Universitätsidee aufscheinen. Ludger Honnefelder nahm sich dieses Themas an, er bot einen Überblick über die mittelalterliche Hochschule, in der sich die Artistenfakultät von der Eingangsstufe zur gleichwertigen Fakultät emanzipierte, später die “Philosophische Fakultät” geheißen.
Bildung durch Wissenschaft? Das könne die Universität nicht liefern, meinte Tenorth in seinem Vortrag “Das Studium der Massen - wie geschieht Bildung heute?”, aber sie kann durch ihre Strukturen Bildungprozesse erleichtern oder erschweren. Durch ihr Lehrangebot, durch ansprechbare Lehrer, durch ein günstiges Verhältnis von Lehrern und Studenten. Das ist sicher richtig, doch liegt allein in der Tatsache der Massenuniversität, die den einzelnen Studenten kaum zur Geltung kommen läßt, ein strukturelles Zahlenproblem. Die vernutzten Räume und die Lieblosigkeit der meisten Einführungsveranstaltungen an deutschen Staatsuniversitäten sprechen eine deutliche Sprache. Dies kontrastiert scharf zu den ehrwürdigen Oxbridge-Unis Großbritanniens, deren eine, Oxford, der spätere Kardinal John Henry Newman besuchte, was im Englischen mit “educated in Oxbridge” ausgedrückt wird. Der Theologe Johannes Schwanke aus Tübingen skizzierte Newmans Universitätsvorstellungen, die ganz seinem Studienort abgesehen waren und ein enges Betreuungsverhältnis vorsahen. Das hört sich jesuitisch an, bei Humboldt jedoch heißt es:
“Das Collegienhören selbst ist eigentlich nur zufällig; das wesentlich Nothwendige ist, daß der junge Mann zwischen der Schule und dem Eintritt ins Leben eine Anzahl von Jahren ausschließend dem wissenschaftlichen Nachdenken an einem Orte widme, der Viele, Lehrer und Lernende in sich vereinigt.” (W.v. Humboldt, Königsberger Schulplan, Menze S. 103)
Hier sind nur stark interessierte Studenten angesprochen, wie Humboldt einer war, und darunter eigentlich auch nur diejenigen, die keine Berufsausbildung brauchen, weil sie, wie Humboldt, versorgte Erben sind. Zweifellos findet in einer solchen Universität Bildung statt, und die englischen und amerikanischen Universitäten der ersten Reihe pflegen noch ein Stück dieser Gentleman-Ausbildung, die nicht in erster Linie eine Berufsausbildung im Auge hat. Entsprechend können die Absolventen dann auch Berufswege unabhängig von ihren Studienfächern einschlagen. Die Vorteile liegen auf der Hand, aber es kann sie nur an Orten jenseits der Massenuniversität geben. Und an der Massenuni hat es auch der breit interessierte Student schwer unter den vielen wenig oder gar nicht interessierten Mitstudenten, die im Durchschnitt nur 30 bis 35 Stunden die Woche in und für die Uni arbeiten (Tenorth).
Und Humboldt dürfte unbedingt noch zu ergänzen sein um die Bildung durch Selbstbildung. Der junge Mensch braucht nicht nur äußere Stoffe, sondern auch Texte zur Selbsterkenntnis und Selbstfindung. Sonst hilft alle äußere Bildung nur wenig, zu wenig.
Hauptziel des Menschen kann sinnvollerweise nur sein, ein stabiles, überwiegend zufriedenes Leben zu führen. Das ist ohne Selbsterkenntnis und ohne Selbstfindung nicht zu haben.
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