Samstag, 24. August 2013

Verlorene Jahre, sinnlose Tote



“Sein Sturz ist unser Sieg”, schrieb der libysche Autor Hisham Matar im Feuilleton der FAZ vor zwei Jahren (24.8.11) “Die libysche Revolution war eine überzeugende Antwort auf die Tyrannei Gaddafis. Jetzt, da der Diktator entmachtet ist, sollte unser Land von unseren tunesischen und ägyptischen Nachbarn lernen”, fuhr der Mann des Jahrgangs 1970 fort. Gesiegt hat allerdings vor allem die NATO mit ihrer militärischen Intervention, weniger der bunte Haufen, in dem die säkularen Kräfte nur einen Teil ausmachten.
Was würde Matar heute schreiben? Die säkulare geführte Regierung ist schwach, bewaffnete islamistische Milizen destabilisieren Libyen. Zweimal zerstörten Islamisten am hellichten Tag mitten in Tripoli Sufi-Moscheen. Die Muslimbrüder und andere Islamisten sind jedoch schwächer, als sie es in Tunesien und Ägypten sind. Wirtschaft und Tourismus leiden, die Minderheiten noch mehr und die Lage der Frauen hat sich drastisch verschlechtert.


Die Revolutionen wurden von einem instabilen Gemenge durchgeführt, und wie üblich fallen dann die verschiedenen Gruppen übereinander her und lassen Blut fließen. Das war schon 1789 so, als eine bunte Menge in Paris den Krawall der Französischen Revolution inszenierte. Das Anliegen, die Geburtsprivilegien des Adels zu reduzieren, war berechtigt. Aber wie verfährt man da am besten? Immerhin war die erste Etappe der Revolution erfolgreich, man hätte mit der Nationalversammlung und den Girondisten leben können. Doch dann fielen die Tugendbolde, Fanatiker und Blutsäufer der Jakobiner, die Robespierre, Marat und Danton über die Girondisten her und errichteten ihre massenmörderische Schreckensherrschaft. Der Abenteurer und Großkriegsverbrecher Napoleon beendete die Diktatur der Jakobiner, krönte sich zum Kaiser und überzog ganz Europa bis hin nach Moskau mit Krieg. 1815 war Frankreich ausgeblutet. Doch der Mythos der Revolution, eifrig gepflegt von der Linken, überlebte. Neue Blutgewitter wurden inszeniert in Moskau, Peking, Kambodscha, Nordkorea, um nur die schlimmsten zu nennen. Die Hekatomben von Toten sind nicht zu zählen. Und stets fraß die Revolution ihre Kinder. Man sollte meinen, die Revolution als politisches Mittel hätte sich ein für allemal selbst diskreditiert. Aber der linke Aberglauben treibt noch immer herum. Revolutionen sind zudem nicht dort möglich, wo es besonders schlimm zugeht - etwa in Nordkorea, sondern nur dort, wo moderate Könige und Diktatoren herrschen. Das war schon in Frankreich so. Bei Ludwig 14. hätte ein Aufstand nur dazu geführt, daß Ludwig, wie weiland die Römer, die Straße nach Nizza mit gekreuzigten Aufständischen versehen hätte. Sein kompromißbereiter Nachfolger Ludwig 16. aber wurde geköpft. So ähnlich auch das Geschehen in Tunesien mit dem gemäßigten Autokraten Ben Ali, der auf Verhandlungen setzte und dann vor den Islamisten fliehen mußte. Mubarak in Ägypten war ein Freiheitsfreund im Vergleich mit dem demokratisch gewählten Freiheitsfresser Nursi. Daraus hat Assad gelernt, dem islamistischen Faschismus keinen Spielraum zu geben. Den ersten Aufstandsversuch in Syrien begingen die Muslimbrüder übrigens schon 1982 gegen Vater Assad.  


Am glücklichsten das Land, das keine Revolutionen braucht. Glücklich noch immer das Land, das sich mit Reformen begnügt. Und unblutig das Überleben ermöglichend gibt es noch die Methode der langen Geduld, wie sie Brecht in der Keuner-Geschichte “Maßnahmen gegen die Gewalt” empfahl. Der Opportunist Brecht engagierte sich nicht gegen die Ostberliner Diktatur, was manche Nachfragen von Diktaturgegnern auslöste. Zur Erklärung verfaßte er diese Keuner-Geschichte. Brecht lebte gut und starb im Bett. So gut kann das nicht jedem gelingen, aber die Methode der langen Geduld ist doch immer zu erwägen. Mit dem Internet hat sie stark an Attraktivität gewonnen, denn die Bedingungen zur Einforderung von Reformen sind mit dem Internet besser geworden denn je.

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