Die
Depressionen haben zugenommen, hört man an jeder Ecke, besonders aus der Lobbygruppe
der Psychotherapeuten. Sie erwähnen nicht, daß die Hysterie gar nicht mehr
vorkommt. Die Diagnose HYSTERIE entsprang der Phantasie des Sigmund Freud und
wurde zur Modediagnose bei den besseren Damen. Heute ist es en vogue, seine
Depression zu haben. Allerdings haben sich die Diagnosen etwas realistischer
entwickelt. Depressionen gibt es tatsächlich und es hat sie immer gegeben. Und
deswegen sollten sie auch behandelt werden. Es ist jedoch zu veranschlagen, daß
die Depression auch in der Gleichaltrigengruppe kopiert wird.
Die
russisch-jüdisch-amerikanische Soziologin Liah Greenfeld beschreibt in ihrem
Buch von 2013 „Mind, Modernity and Madness“, daß sie bei ihrer Ankunft in den
USA überrascht gewesen sei von der dortigen offenen und lebensfreundlichen Atmosphäre,
und ebenso konsterniert von den unter Teenagern weit verbreiteten Depressionen.
Sie deutet die Depression deswegen als kulturelles Phänomen, als Reaktion auf
die Verunsicherung durch moderne Phänomene wie etwa den Wettbewerb.
Dies
ist nicht von der Hand zu weisen. Starre und stabile Institutionen gewähren
Schutz – der einzelne wird in einen Stand hineingeboren, er braucht sich nicht mehr
als andere anzustrengen, denn er bleibt stets ein Bauer oder Adliger oder
Zunfthandwerker. Daher sind traditionale Gesellschaften so arm wie stabil. Aber
die Individuen sind unterschiedlich. Was den einen Schutz durch die Stabilität
bedeutet, ist den anderen Enge und Gefängnis. Und auch physiologisch
unterscheiden sie sich. Daher besitzt eine tatsächliche Depression auch einen
hormonellen Kern. Beide Faktoren und weitere können zusammen auftreten und sich
verstärken. Das ständige Gerede über Depressionen dürfte aber das
Diagnosemuster allfällig verbreiten. Das dient nur der Zunft der Therapeuten,
insbesondere denen unter ihnen, die mit dieser Diagnose abzocken wollen.
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