"... DER JÜNGERE SOKRATES: In was für welchen meinst du?
GAST: Wo es auf die Anordnung des gesamten Lebens ankommt. Denn die besonders Sanften sind auch immer darauf bedacht, ein stilles Leben zu führen, indem sie ganz für sich nur ihre eigenen Angelegenheiten besorgen, und sowohl zu Hause mit allen auf diese Art umgehen, als auch mit andern Staaten gleichermaßen bemüht sind, immer auf irgend eine Art Frieden zu halten. Und vermöge dieser Neigung, wenn sie unzeitiger ist als sie sollte, werden sie, wenn sie nach ihrem Willen handeln können, unbemerkt selbst unkriegerisch, wie sie auch die Jünglinge gleichfalls zu solchen machen, [E] und fallen daher jedem Angreifenden anheim, wodurch sie dann in wenig Jahren mit ihren Kindern und dem gesamten Staate oft [308 St.2 A] aus Freien unvermerkt Knechte geworden sind.
DER JÜNGERE SOKRATES: Einen bösen und schlimmen Erfolg gibst du an.
GAST: Wie aber die mehr zur Tapferkeit sich neigenden? Reizen die nicht ihren Staat immer wieder zu irgend einem Kriege an wegen ihrer, mehr als gut ist, heftigen Begierde nach einem solchen Leben, und verwickeln ihn dadurch mit vielen und Mächtigen in Feindseligkeiten, ja bringen wohl gar ihr Vaterland ins Verderben und in die Knechtschaft und Gewalt seiner Feinde?
DER JÜNGERE SOKRATES: Auch das geschieht.
GAST: Wie [B] sollten wir also nicht sagen, daß hierin beide Arten immer viel Feindschaft und Streit gegeneinander haben von der heftigsten Art?
DER JÜNGERE SOKRATES: Auf keine Weise können wir das leugnen.
GAST: Also was wir von Anfang suchten, das haben wir gefunden, daß nicht unwichtige Teile der Tugend untereinander uneins sind von Natur, und auch die, welche sie besitzen, eben dazu machen.
DER JÜNGERE SOKRATES: Das scheinen sie in der Tat.
GAST: Laß uns nun auch dies dazunehmen.
DER JÜNGERE SOKRATES: Welches?
GAST: Ob wohl eine von den zusammensetzenden Künsten irgend eines ihrer Werke, wenn es auch das unbedeutendste wäre, gutwillig aus Schlechtem und Gutem bilden wird? Oder ob nicht jede Kunst [C] überall das Schlechte nach Vermögen verwirft, und nur das Tüchtige und Gute nimmt, um aus diesem dann, Ähnliches und Unähnliches in eines verarbeitend, eine bestimmte Kraft oder Gestalt hervorzubringen?
DER JÜNGERE SOKRATES: Wie sollte sie nicht dies?
GAST: Also wird auch ihrer Natur nach die wahre Staatskunst niemals gutwillig aus guten und schlechten Menschen irgend einen Staat bilden, sondern offenbar wird sie sie erst durch Erziehung prüfen, und nach [D] der Prüfung denen, die sich darauf verstehen, zum Unterricht und zur Besorgung übergeben, unter ihrer eignen Anordnung und Aufsicht, wie die Weberei über die Wollkämmer und andere, welche die zu ihrem Gewebe notwendigen Vorarbeiten verrichten, immer die Aufsicht führt, ihr Tätigkeiten begleitend anordnet und ihnen solche Aufgaben aufgibt zu verrichten, wie sie glaubt, daß zu ihrem Gewebe tüchtig sein werde.
DER JÜNGERE SOKRATES: Allerdings.
GAST: Eben so scheint mir auch die Herrscherkunst selbst die Oberaufsicht führen zu sollen über alle gesetzlichen Erzieher und Lehrer, und ihnen nicht zu gestatten, etwas zu üben, was eine ihrer Mischung nach nicht angemessene Gesinnung hervorbringen könnte, [E] sondern die, die dies vermögen, allein zu unterrichten befiehlt sie. Die, welche nicht vermögen, an tapferer und besonnener Gesinnung Teil zu nehmen und was sonst zur Tugend führt, [309 St.2 A] sondern in Gottlosigkeit, in Frevel und Ungerechtigkeit durch die Gewalt einer bösartigen Natur hineingestoßen werden, diese stößt sie aus durch Todesstrafen und durch Ausweisungen, oder züchtiget sie durch die härtesten Strafen.
DER JÜNGERE SOKRATES: So soll es wenigstens sein.
GAST: Die aber wiederum in Torheit und großer Niedrigkeit des Sinnes sich herumwälzen, reiht sie unter die Sklaven ein.
DER JÜNGERE SOKRATES: Ganz richtig."
(www.opera-platonis.de/Politikos.html)
(www.opera-platonis.de/Politikos.html)
So die Worte des P. in A., Platon gegen Ende in seiner Spätschrift POLITIKOS. Der Politiker soll ein Weber sein, der kunstvoll mit seiner Meßkunst die verschiedenen Fäden verwebt. Hirt und Herde? Das erörtert Platon eingangs, das ist ihm zu blöd, das überläßt er dem Wanderrebbe späterer Zeit, dem J. C., der verwendet gern ‘Hirt und Herde’, das entspricht seiner Mentalität.
Da kann man Platon mal zustimmen, wiewohl mir das Bild des politischen Wollwebers auch nicht sehr zusagt. Zum Teufel mit Hirten und Webern! Wer will schon Schaf oder Faden sein.
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