Bei Kahneman erfährt man viel über menschliches Erkennen
“Es ist ein eigener Umstand, daß die Fichtesche Philosophie immer viel von der Satire auszustehen hatte. Ich sah mal eine Karikatur, die eine Fichtesche Gans vorstellt. Sie hat eine so große Leber, daß sie nicht mehr weiß, ob sie die Gans oder ob sie die Leber ist. Auf ihrem Bauch steht: Ich = Ich. Jean Paul hat die Fichtesche Philosophie aufs heilloseste persifliert in einem Buche, betitelt »Clavis Fichteana«. Daß der Idealismus in seiner konsequenten Durchführung am Ende gar die Realität der Materie leugnete, das erschien dem großen Publikum als ein Spaß, der zu weit getrieben.”
So Heine im 3. Buch seiner “Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland”.
Der arme Fichte. Sein ICH auf dem Bauch der Gans. Mit Fichte’scher Säuferleber. Man sieht, der alte Spottvogel Heine ist dem Fichte nicht sein Freund. Immerhin geht er ausführlich auf ihn ein, er beläßt es nicht bei der Gänserei. Seinem Düsseldorfer Kollegen Friedrich Heinrich Jacobi war das nicht beschieden. Der fiel glatt durch. Nicht so bei Birgit Sandkaulen:
„Ich bin Realist, wie es vor mir noch kein Mensch gewesen ist“ – Der philosophische Provokateur Friedrich Heinrich Jacobi
Bisweilen schlägt die Philosophiegeschichte Kapriolen. Über lange Zeit war die überragende Bedeutung des Düsseldorfer Philosophen und Romanautors Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) völlig überdeckt. Nicht zuletzt hat der andere große Sohn der Stadt, nämlich Heinrich Heine, das Gerücht befördert, dass Jacobi ein irrationaler Fideist gewesen sei, dem wir keinerlei wichtigen Impuls verdanken. Inzwischen gehört diese kuriose, aber wirkmächtige Fehleinschätzung der Vergangenheit an und Jacobi wird neue Aufmerksamkeit zuteil. Als großbürgerlich situierter homme de lettres und „graue Eminenz“ der ganzen klassischen deutschen Philosophie hat er in seinen Schriften und in seiner ausgedehnten Korrespondenz, die alle illustren Geister der Epoche umfasst, nicht nur neben Kant die maßgeblichen Anstöße für die intellektuellen Debatten der beginnenden jüngeren Moderne gegeben. Die provokative Kraft, mit der Jacobi diese Debatten streitbar und sprachgewaltig vorangetrieben hat, weist darüber hinaus auch in gegenwärtige Diskussionen voraus. Der Vortrag zeigt dies am Fall des „Realismus“ – denn was heißt es, Realist zu sein, wie es noch kein Mensch gewesen ist?.” (Inhaltsangabe ihres Vortrags in Düsseldorf 16.12.15)
Sandkaulen kann allerdings nicht so recht verdeutlichen, was denn an der Westentaschenausgabe der variierten Fichte'schen Philosophie der besonderen Aufmerksamkeit würdig sein soll. Jacobi ist eine Fußnote der Philosophiegeschichte, gerade geeignet, daraus ein akademisches Hobby zu machen. Mit Abstrichen gilt das für den gesamten deutschen Idealismus, wobei Hegel natürlich philosophiegeschichtlich aus der Schar der Ganter herausragt. Der Klage des Fichte-Freundes Manfred Frank, der unlängst beklagte, daß der deutsche Idealismus in Deutschland nicht mehr gelehrt werde, vermag man sich kaum anzuschließen, zumal ja Sandkaulen auf diesem Gebiet sehr rührig ist.
In zivilisationsübergreifender Perspektive fällt allerdings auf, daß nur im europäischen Raum das Problem der Erkenntnistheorie bearbeitet wurde, eben auch von Fichte und Jacobi. Im mohammedanischen Raum geschah das nicht, weswegen es im Orient bis heute auch keine Psychologie gibt - im Westen dagegen erforscht sie die menschlichen Erkenntnisbedingungen heute mit weit besseren Ergebnissen, als der deutsche Idealismus es vermochte.
So bleibt dem traditionellen Geisteswissenschaftler weiterhin nur festzustellen:
“Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!”
Faust I, V. 354ff.
1 Kommentar:
Der gefühlvolle Fritz Jacobi (Richard Friedenthal) schrieb auch einen Roman, 1779, “Woldemar” geheißen, den Goethe dergestalt rezensierte, daß er ihn mit den aufgeschlagenen Buchdeckeln an einen Baum nagelte, dem Wind die Seiten freigebend. Das war nun nicht übermäßig wohlwollend gegenüber dem Jugendfreund. Doch Fritz, der sich vielfach verkrachte, steckte das gegenüber dem bewunderten Goethe weg. Der schrieb noch weiterhin an Fritz, etwa 1813:
“Als Dichter und Künstler bin ich Polytheist, Pantheist hingegen als Naturforscher, und eins so entschieden als das andere. Bedarf ich eines Gottes für meine Persönlichkeit, … so ist dafür auch schon gesorgt.”
(Zit. bei P. Boerner, Goethe, S. 117)
Als Aufbewahrer solcher Briefe kommt Friedr. H. Jacobi wohl die größte Bedeutung zu.
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