Ulrich Walter ist Physiker, ehemaliger Wissenschaftsastronaut und derzeitiger Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Für N24 schreibt er die Kolumne ‘Wissen schafft was‘. Am 28. November und 9. Dezember 2016 beschäftigte sich Walter in seiner Kolumne mit dem Klimawandel. Dabei äußerte er sich erstaunlich offen über Defizite im aktuellen Verständnis und mahnte zu mehr Bescheidenheit. In Teil 1 (Titel: “Klimaforscher sind Einäugige unter Blinden“) nahm sich Walter zunächst die unerwartete Erwärmungspause bzw. die starke Abschwächung der Erwärmung vor. Kein einziges Klimamodell hat diese Entwicklung vorhergesagt, gibt er zu bedenken. Walter weiter:
Sogar im Nachhinein konnte dieses bemerkenswerte Phänomen bis heute kein Klimaforscher erklären. Dies ist umso erstaunlicher, als dass die Erfahrung lehrt, dass Theoretiker im Nachhinein stets alles erklären können, wovon das meiste für den Müll ist. Erst in den vergangenen neun Monaten begannen sie so langsam die Ursachen zu verstehen, sind jedoch noch weit davon entfernt, mögliche ähnliche Phänomene in Zukunft vorhersagen zu können. Sie wissen zwar jetzt mehr, aber immer noch wenig. Unter den Blinden ist der Einäugige halt König. Ja, ich gebe zu, das ist ein etwas hartes Urteil, aber unter Wissenschaftlern macht die Euphorie, etwas verstanden zu haben, oft blind vor der Komplexität der Realität. Man sollte zwar den Hut ziehen vor dem Wissen, das Klimaforscher bis heute erarbeitet haben, aber nur die Hälfte von dem glauben was sie sagen. Und misstrauen Sie jedem, der behauptet, das Klima verstanden zu haben. Sie selbst mögen vielleicht gar nichts von Klima verstehen, also blind sein, aber Klimaforscher sind eben nur einäugig.
Im weiteren Verlauf des Beitrags geht der ehemalige Astronaut auch auf die nur schlecht bekannte CO2-Klimasensitivität ein:
Die Klimaforscher wissen zwar, dass CO2 und zu einem geringeren Teil Methan CH4, den Wärmeschutzeffekt der Decke erhöhen, aber sie wissen nicht genau, wie gut diese Treibhausgase wirken. Sie messen lediglich Zu- oder Abnahmen von CO2/CH4-Mengen und Temperaturzunahmen und -abnahmen und korrelieren die miteinander. Daher wissen die dann, wieviel CO2-Zunahme wie viel Temperaturzunahme verursacht. Aber sie haben noch nicht genau verstanden, warum dieses Verhältnis so ist. Daher braucht sich nur eine Kleinigkeit ändern und schon stimmt diese Korrelation und somit ihre Vorhersage nicht mehr – so geschehen bei dem Erwärmungs-Hiatus.
Im 2. Teil seiner Kolumne packt Walter die Kritik erneut für alle sichtbar in den Titel:
Was Sie über den Klimawandel wissen sollten: Shit In, Shit Out!
Zunächst erklärt er den Lesern, dass die Rolle der Wolken und Ozeane im Klimageschehen noch viel Unbekanntes birgt und noch immer nicht alle Einzelkomponenten des Klimasystems vollständig verstanden sind. Mit den Ergebnissen der Klimamodelle müsse man daher sehr vorsichtig umgehen, gibt Walter zu bedenken:
Warum erzähle ich all diese ermüdenden Details? Weil damit klar wird, dass es fast unendlich viele unterschiedene Einflüsse auf das Klima gibt, die mit einander vernetzt sind und sich teilweise wie in einem Teufelskreis aufschaukeln oder sich gegenseitig dämpfen. Eine unvollständige Modellierung dieser Abhängigkeiten kann zu falschen Ergebnissen und falschen Vorhersagen führen. Genau das war der Fehler des Club of Rome, der mit einer, wie sich kürzlich herausstellte, haarsträubenden Modellierung und eines entsprechenden im Jahre 1972 veröffentlichten Berichts Grenzen des Wachstums den bevorstehenden Untergang der Menschheit vorhersagte – shit in, shit out! Die heutigen Modelle der Klimaforscher sind zwar weitaus ausgefeilter als die des Club of Rome, aber immer noch so schlecht, dass sie beim Erwärmungs-Hiatus versagten, und wenn die Klimaforscher nicht aufpassen, könnte ihnen noch Peinlicheres in der Zukunft passieren.
Das Fazit von Walter:
Die Erforschung der Klimaveränderung ist ein saukompliziertes Geschäft.
Damit hat er sicher Recht. Man muss dankbar sein, dass Ulrich Walter hier kein Blatt vor den Mund nimmt und die Baustellen der Klimaforschung klar benennt. Nur ein realistisches Bild kann die Klimaforschung vorantreiben und weiterentwickeln. Für Träumereien und Wissenschaftsgeschmuse ist das Thema viel zu wichtig.
Hinweis: Die beiden Kolumnen sind mittlerweile auf N24/Welt gelöscht (Originallinks: Teil 1, Teil 2). Vielleicht hat das mit der Umstellung auf die gemeinsame neue Newsplattform zu tun. Oder waren die beiden Texte vielleicht “zu heiß”, so dass man sie schnellstmöglich unerreichbar ins All schoss? Zum Glück hat die Waybackmaschine die Texte konserviert…
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