Am 2. Mai 1886 wurde Gottfried Benn in einem protestantischen Pfarrhaus in Brandenburg geboren. Es war vielleicht ein eiskalter Maianfang wie dieses Jahr, der Pate bei seiner chronisch depressiven Haltung stand. Auch der Kontrast zwischen den christlichen Phrasen und der so ganz anderen Realität mag dazu beigetragen haben.
Trauer - einmal einfach elegisch verschattet, dann ins Groteske, Expressionistische gewendet, und ebenfalls auch ins Schnodderige und Sarkastische - bestimmt den Ton seiner Dichtung. Etwas versteckt erscheint sie im folgenden Benn-Gedicht:
SATZBAU
Alle haben den Himmel, die Liebe und das Grab,
damit wollen wir uns nicht befassen,
das ist für den Kulturkreis besprochen und durchgearbeitet.
Was aber neu ist, ist die Frage nach dem Satzbau
und die ist dringend:
warum drücken wir etwas aus?
…
Überwältigend unbeantwortbar!
Honoraraussicht ist es nicht,
viele verhungern darüber. Nein,
es ist ein Antrieb in der Hand,
ferngesteuert, eine Gehirnlage,
vielleicht ein verspäteter Heilbringer oder Totemtier,
auf Kosten des Inhalts ein formaler Priapismus,
er wird vorübergehen,
aber heute ist der Satzbau
das Primäre.
»Die wenigen, die was davon erkannt« - (Goethe) -
wovon eigentlich?
Ich nehme an: vom Satzbau.
Vielleicht ist doch noch nicht alles besprochen, es stellen sich ja immer neue Perspektiven ein, aber die Frage, warum der Mensch als einziges Säugetier so ausdrucksstark und ausdrucksversessen ist, scheint weiterhin ungelöst.
Bei Benn selbst hat das Schreiben zum Ertragen der Depression beigetragen, wie bei manchen anderen auch.
(Bild: Wikip.)
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