Atome und Vakuum sind die Grundformen, die Lukrez benennt, und in diesem Abschnitt handelt er von deren zufälligen Erscheinungsformen (Akzidenzen der Prinzipien), wobei er die Zeit und ihre Prozesse einbezieht. Die Welt der Dinge erscheint einheitlich, die Prozesse der Menschenwelt folgen keinen völlig anderen Prinzipien.
Heute würde man eher Popper folgen und 3 Welten unterscheiden: 1. die physikalische Welt, 2. Gedanken, Gefühle, und Bewußtsein, 3. Theorien und Ideen, Wissenschaft.
Diese 3 Welten beeinflussen sich, besitzen aber ein gewisses Eigenleben, wie die absurden Erfindungen der Religionen illustrieren.
Die Ansprache Alexanders und Helenas überrascht hier den Leser. Im Mythos folgt Helena dem Paris nach Troja, was ihren spartanischen Gatten Menelaos erbost und zum Trojanischen Krieg führt.
IV. Lehrsatz. Akzidenzen der Prinzipien
Alles, was Namen besitzt, hängt ab von den beiden Prinzipien.
Denn es gibt nichts als beider »Verbindung« oder »Ergebnis«.
Als ein Verbundenes gilt, was ohne vernichtende Scheidung
Niemals trennen sich läßt noch abgesondert bestehn kann.
So hat der Stein sein Gewicht, das Feuer die Glut und das Wasser
Nässe; den Körpern ist eigen Berührung, nur nicht dem Leeren,
Knechtschaft aber und Freiheit und ferner Armut und Reichtum,
Wie auch Frieden und Krieg und alles, was sonst noch hinzukommt
Oder verschwindet, doch ohne das Wesen der Dinge zu ändern:
All dies sind wir gewöhnt, wie es recht ist, Ergebnis zu nennen.
Auch ist die Zeit kein Ding an sich, nein, unsere Sinne
Nehmen erst ab von den Dingen, was in der Vergangenheit vorging,
Was uns soeben bedrängt, und endlich was später geschehn wird.
Niemand kann ja die Zeit an sich mit den Sinnen erfassen,
Wenn man die Ruhe der Dinge und ihre Bewegung nicht abmißt.
Wenn man die Sage vernimmt von Helenas Raub und von Trojas
Niederwerfung im Krieg, so muß man sich hüten zu meinen,
Jene Geschehnisse ständen für sich als wirkliche Dinge,
Weil ja die Menschengeschlechter, die jenes »Ergebnis« erfuhren,
Unwiderruflich hinab der vergangene Zeitraum geschlungen.
Denn von dem Land an sich ist das jedesmal'ge Ergebnis
Wohl zu trennen, das grade in dessen Bezirke sich abspielt.
Wäre nun gar in den Dingen der Stoff nicht vorhanden gewesen
Oder der Ort und der Raum, in welchem sich alles ereignet,
Hätte der Helena Schönheit wohl nimmer das Feuer der Liebe
Bei Alexander entfacht und ins Phrygierherz sich gestohlen,
Hätt' auch die Fackel des wilden, von allen besungenen Krieges[42]
Nimmer entzündet. Dann hätte das hölzerne Pferd und die Griechen,
Die es nächtens gebar, auch nimmer die Veste zerstöret.
Daraus kannst du ersehn, daß alle Geschehnisse durchweg
Nicht auf sich selber beruhn und nicht wie der Körper bestehen,
Noch auch so wie das Leere besondre Benennung verdienen,
Sondern nur so, daß man richtig vielmehr von »Ergebnissen« redet,
Die an den Körper und Ort, wo jedes geschieht, sind gebunden.
Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 42-43.
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