Der Unterschied zwischen einem jungen und einem alten Leser besteht darin, daß der alte Leser beim Lesen eine Unmenge an Vor- und Parallelwissen beim Lesevorgang aktiviert, was das Lesen verlangsamt, aber ungemein fruchtbarer macht.
"Im Leselabor. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.05.1996
Literaturwissenschaft
Die Beziehung zwischen dem Vorwissen eines Lesers und der aktuellen Lektüre spielt eine zentrale Rolle für jede literaturwissenschaftliche Rezeptionstheorie. Suzanne Mannes und Shelli M. Hoyes haben dafür ein empirisches Modell entwickelt. (Suzanne Mannes/Shelli M. Hoyes, "Reinstating Knowledge During Reading: A Strategic Process", in: Discourse Processes, Bd. 21, Heft 1, Januar/Februar 1996.)
Die Versuchspersonen mußten sich zuerst in eine skizzierte Darstellung eines Themas (Alkoholismus) einarbeiten, die ein kontrolliertes Vorwissen erzeugte. Danach lasen sie einen referierenden Text zum selben Thema Satz für Satz von einem Bildschirm ab, wobei sie selbst steuerten, wann der folgende Satz auf dem Bildschirm erscheinen sollte. Bei einer Gruppe hatten Skizze und Text den gleichen thematischen Akzent (biologische Aspekte), in einer zweiten Gruppe lag der Akzent auf sozialen Aspekten, während der Text wie bei der ersten Gruppe die biologischen Fragen behandelte. Es wurde gemessen, wie lange die Versuchspersonen für die Lektüre eines Satzes brauchten: Die Mitglieder der ersten Gruppe lasen den Text erheblich schneller als die der zweiten. Das ist ein Hinweis darauf, daß die Mitglieder der zweiten Gruppe eine aufwendigere Verstehensarbeit leisteten. Andere Wissenselemente mußten zusätzlich integriert werden. ..."
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