Dienstag, 1. Januar 2019

Unfühlend
 ist die Natur

Goethe
Das Göttliche
       
Edel sei der Mensch,
Hilfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Heil den unbekannten

Höhern Wesen,

Die wir ahnen!

Ihnen gleiche der Mensch!

Sein Beispiel lehr uns

Jene glauben.

Denn unfühlend

Ist die Natur:

Es leuchtet die Sonne

Über Bös und Gute,

Und dem Verbrecher

Glänzen wie dem Besten

Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,

Donner und Hagel

Rauschen ihren Weg

Und ergreifen

Vorüber eilend

Einen um den andern.

Auch so das Glück

Tappt unter die Menge,

Faßt bald des Knaben

Lockige Unschuld,

Bald auch den kahlen

Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,

Großen Gesetzen

Müssen wir alle

Unsreres Daseins

Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch

Vermag das Unmögliche:

Er unterscheidet,

Wählet und richtet;

Er kann dem Augenblick

Dauer verleihen.

Er allein darf

Den Guten lohnen,

Den Bösen strafen,

Heilen und retten,

Alles Irrende, Schweifende

Nützlich verbinden.

Und wir verehren

Die Unsterblichen,

Als wären sie Menschen,

Täten im großen,

Was der Beste im kleinen

Tut oder möchte.

Der edle Mensch

Sei hilfreich und gut!

Unermüdet schaff er

Das Nützliche, Rechte,

Sei uns ein Vorbild

Jener geahneten Wesen!

 Ja, gut, aber, das hat der Goethe im Alter von 34 Jahren vergessen: nichts zu sehr!
Horazens Ansatz war und ist doch weitertragender:

Horaz (65-8 v. Seneca)

Mische kleine Albernheiten in dein kluges Planen,
Köstlich ist das am rechten Orte.
alias
Laß denn ruhen Verzug und des Gewinns Begier,
Und der düsteren Glut denkend, dieweil du kannst,
Meng’ in weiseren Ernst wenige Torheit ein.
Süß ist’s schwärmen am rechten Ort.

Oden, 12, An Vergilius

Aber heute soll der Mensch achtsam sein, sagt uns der gute Protestant Jochen Schmidt in seinem Traktat „Achtsamkeit. Versuch zur ethischen Theologie“ (Neue Zeitschr. f. Systematische Theo. 54/1, 2012)



Na denn. Halten wir es doch lieber mit der Antike!




















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