Der Harvard-Historiker Niall Ferguson betrachtet Geschichte aus der Perspektive der Gegenwart. Welche Ursachen zu welchen Wirkungen führen - das wüßten wir alle gern. Ferguson gibt da Hilfestellung, auch in seinem Buch von 2012 “Der Niedergang des Westens. Wie Institutionen verfallen und Ökonomien sterben”. Ferguson knüpft bei Adam Smith an: “Der Zustand des Fortschritts ist in der Tat für alle Gesellschaftsklassen ein Zustand des Frohsinns und der Kraft. Der Stillstand macht träge, der Verfall traurig.” (Smith, Wohlstand, zit. bei N.F. S. 17)
Damals litt China am Stillstand, heute ist es der Westen. Ferguson sieht eine Überregulierung als ursächlich an, kombiniert mit der politischen Bevorzugung saturierter Gesellschaftsgruppen und einer Rechteinflation. Die Herrschaft des Rechts, the rule of law, werde dadurch ausgehöhlt. Ebenso durch die Tendenz zum Rechtsanwälterechtsstaat. Ferguson pocht dagegen auf das Common Law, das anderen Rechtstraditionen, die auf dem Römischen Recht fußten, überlegen sei. Über die Magna Charta, Habeas Corpus und “King-in-Parliament” habe das Common Law seine antiherrschaftliche und lösungsbezogene Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Man kann dem zustimmen, wenn man sich den Gestus des (vielteiligen) Corpus Iuris Civilis vor Augen hält: “Unser Recht aber, das wir in diesen Gesetzbüchern festgesetzt haben … erhält, wie wir hiermit bestimmen, seine volle Geltungskraft … am dritten Tag vor den Kalenden des Januar (30.12.533), und soll von da an für alle Zeiten gelten.” (Justinian Constitutio Tanta § 23)
Hier spricht unverkennbar ein Herrscher, nämlich der oströmische Kaiser Justinian I., der das bisherige Recht für erloschen erklärt und seiner Rechtssammlung Ewigkeit zuspricht. Dieser Gestus fehlt dem Common Law völlig.
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