“Im 17. Jahrhundert wird zunehmend deutlich, daß Wissenschaftler für gesellige Interaktion, besonders am Hofe, nicht taugen. Sie erweisen sich als zu sehr in ihr Wissen engagiert; und da dieses Wissen kettenförmig gegeben sei und das eine das andere nach sich ziehe, fehle ihnen, meint zum Beispiel Jacques de Callières, die nötige Aufmerksamkeit und Sensibilität für Geselligkeit. Damit scheidet die Wissenschaft aus den Reservaten aus, in denen die Stratifikation noch besonders gepflegt wird - und kann sich um so mehr ihren eigenen Angelegenheiten widmen.” (Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, S. 242)
Dies ist heute sehr weit fortgeschritten der Fall. Der Wirtschaftsweise Lars Feld trägt einen Brillanten im linken Ohr, ein unbürgerlicher Schmuck, der von einem Nasenring einer jungen Doktorandin noch übertroffen wird. In Universitäten und Instituten herrscht eine ziemlich unbürgerliche Atmosphäre, die in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unvorstellbar gewesen wäre. Nicht nur der Professor, auch die meisten Studenten trugen Schlips, Kragen und Kleid und siezten einander.
Anfang der sechziger Jahre bildete sich sogar eine radikal antibürgerliche Bewegung aus, assistiert von neomarxistischen Lehrern.
Der Werdegang Franz-Josef Degenhardts illustriert diese Entwicklung gut. Aus der katholischen Oberschicht stammend studierte er das damals besonders bürgerliche Fach Jura, promovierte darin und sang dann von Kaninchenställen im berühmten Lied “Spiel nicht mit den Schmuddelkindern”. Ob der Mann schon einmal Kaninchenställe gesehen hatte? Ihre Größe und Beschaffenheit? Man muß es bezweifeln. Die völlige Unmöglichkeit, nach Kaninchenstall zu stinken, juckte aber den jungen Spinner nicht, der seinem Milieu, einschließlich seinem Onkel Bischof Degenhardt, einfach nur vors Schienbein treten wollte. Auch sonst fällt der Realitätskontakt dieser Protestschmonzette kläglich aus mit seiner Aneinanderreihung von krummen Klischees, in der die Ratten herumwuseln zwischen “dürren Tantengreisen
unter roten Rattenwimpern”. Diese Karriere führte zur DKP und ins Stalinistische. An den Unis aber wuchs mit Abendroth und Adorno, mit Horkheimer und Fülberth, Wolfgang Fritz Haug und Helmut Kentler das antibürgerliche und neomarxistische Moment. Das Bürgerliche besteht nur noch in Restbeständen und wir wollen ihm nicht nachtrauern. Aber den damit einhergehenden Verlust von wissenschaftlicher Solidität und Leistung - den bedauern wir schon.
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