“Das Einreißen bei gewöhnlichen Anstalten ist ein großes Verderben, vorzüglich in der Politik, Ökonomie und Religion. Das Neue ist dem Projektmacher so angenehm, aber denen, die es betrifft, gemeiniglich sehr unangenehm. Der erste bedenkt dabei nicht, daß er es mit Menschen zu tun hat, die mit Güte unvermerkt geleitet sein wollen, und daß man dadurch sehr viel mehr ausrichtet, als mit einer Umschaffung, deren Wert denn doch erst durch die Erfahrung entschieden werden muß. Wenn man doch nur das[423] letztere bedenken wollte! Man schneide die Glieder nicht ab, die man noch heilen kann, wenn sie auch gleich etwas verstümmelt bleiben; der Mensch könnte über der Operation sterben. Und man reiße nicht gleich ein Gebäude ein, das etwas unbequem ist, und stecke sich dadurch in größere Unbequemlichkeiten. Man mache kleine Verbesserungen.”
(Lichtenberg, Sudelbücher, Heft K, 140 (bei Zeno.org)
Die Projektemacher, die Lichtenberg hier anspricht, sind meist Fanatiker. Oder Spinner. Oder beides. Malewitsch zum Beispiel wollte alle Museen für seinen Spleen einreißen, Savonarola alle Bilder vernichten, die Marxisten die alte Gesellschaft etc. Merkel und ihre Freunde wollen die alte Industrie, die Kernkraft und die Nation beseitigen. Nicht nur Lichtenberg lehnt dergleichen ab, so wie die meisten Konservativen und auch - aus anderer Perspektive - Karl Popper, der für moderate gesellschaftliche Änderungen (piecemal engineering) eintrat, statt für eine Große Transformation (Schellnhuber) oder gar Revolution.
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