Altersskalen angepasst, Klimaforschung, 4/08
Angepasst: Baumringe und Eisproben führen nun zu denselben Ergebnissen
FAZ 11. April 2008 Sollten die Modellrechnungen stimmen, dürfte der Klimawandel innerhalb der kommenden hundert Jahre zu einer globalen Erwärmung von möglicherweise drei Grad führen – langsam, aber stetig. Zum Ende der letzten Eiszeit befand sich das Klima dagegen auf einer Achterbahn. Nachdem weltweit bereits das große Tauwetter eingesetzt hatte, versank die Nordhalbkugel innerhalb nur eines Jahrzehnts noch einmal in einer Gefriertruhe. Einer internationalen Forschergruppe ist es nun erstmals gelungen, diese Epoche des Klimaflatterns, die sogenannte Jüngere Dryas, genau zu datieren.
Während der Weichsel-Eiszeit lagen Norddeutschland, England, Skandinavien und der Alpenraum nahezu 100.000 Jahre lang unter einem dicken Eispanzer. Vor etwa 15.000 Jahren begann sich das Eis langsam zurückzuziehen. Es schien jedoch, als wolle das Eis seine Herrschaft nicht einfach aufgeben. Die gegenwärtige Warmzeit, das Holozän, stellte sich nur langsam in Schüben mit extrem großen Schwankungsbreiten ein. Zu Recht sprechen die Geologen davon, dass sich die Eiszeit mit flatterndem Klima verabschiedete.
15 Grad kühler in nur einem Jahrzehnt
Kurz bevor sich das Eis endgültig in die hohen Breiten zurückzog, gab es noch einmal einen extremen Kälteeinbruch. Im Durchschnitt wurde es dabei wahrscheinlich nur innerhalb eines Jahrzehnts um 15 Grad kühler als heute, die Jahresmitteltemperatur in England betrug minus fünf Grad. Die heute im Alpenraum sowie in der Tundra Skandinaviens gedeihende Silberwurz, ein kleines Rosengewächs, gab mit ihrem lateinischen Namen Dryas octopetala dem „Zeitraum des letzten Gefechtes“ seinen Namen: Jüngere Dryas.
Dafür, dass es in dieser Zeit äußerst kalt war, sprechen viele eindeutige Indizien in mehreren Klimaarchiven. Unklar war bisher, wann genau der Kälteeinbruch einsetzte und wie lange die Kaltphase dauerte. Die aus Baumringen, Eiskernen, Karbonatablagerungen in Höhlen und anderen Klimaarchiven abgeleiteten Zeiträume sind in dieser Hinsicht widersprüchlich. So schwanken die Angaben über die Dauer der Jüngeren Dryas zwischen 600 und 1300 Jahren.
Zeitskalen aufeinander abgestimmt
Eine internationale Forschergruppe um Raimund Muscheler von der Lund-Universität in Schweden, zu der auch Mitarbeiter der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Universität Hohenheim gehören, hat nun die verschiedenen Klimaarchive miteinander verglichen und die jeweils erheblichen Zeitunterschiede kalibriert. Dazu benutzte sie unter anderem Angaben über die Konzentrationen von Beryllium-10, die in den Jahresschichten der in Grönland erbohrten Eiskerne gemessen wurden. Dieses Beryllium-Isotop entsteht als Endprodukt einer radioaktiven Zerfallsreihe in der Atmosphäre unter dem Einfluss kosmischer Strahlung. Seine Konzentration steht in engem Bezug zum Anteil des Isotops Kohlenstoff-14, dessen Produktionsrate ebenfalls von der Intensität der kosmischen Strahlung kontrolliert wird.
Die Forscher haben nun die zeitliche Veränderung des Beryllium-10 im Grönlandeis mit den Konzentrationen von Kohlenstoff-14 in Baumringen verglichen. Bisher wichen die aus diesen beiden Kurven abgeleiteten Kalender deutlich voneinander ab. Den Forschern gelang es jetzt aber, die beiden Zeitskalen aufeinander abzustimmen.
Rahmenbedingung für heutige Klimaentwicklung
Darauf aufbauend, konnte eine weitere für das Klima relevante Isotopenkurve – jene der Verhältnisse verschiedener Isotope des Sauerstoffs in den Eiskernen („Delta-O-18“) – genau datiert werden. Darin zeigen sich Kälteperioden des Klimas als deutliche „Täler“, so auch die Jüngere Dryas, die mit einem äußerst scharfen Abfall vor 12.800 Jahren begann und 1300 Jahre lang anhielt.
Die Ergebnisse, über die die Forschergruppe nun in der Zeitschrift „Nature Geosciences“ (Bd. 1, S. 263) berichtet, sind nicht nur von akademischem Interesse. Die genaue Datierung erlaubt es den Paläoklimatologen, nach den Ursachen der historischen Klimaänderungen zu suchen. Damit erhalten sie Randbedingungen für die Berechnungen der heutigen Entwicklungen.
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