BASF richtet Biotech-Forschung neu aus
Der führende Chemiekonzern reagiert auf die politische Verzögerung der Zulassung für die Genkartoffel Amflora: In der Pflanzen- Biotechnologie wird BASF künftig stärker außerhalb Europas forschen und auf rein europäische Projekte verzichten.
mir./pso. LUDWIGSHAFEN, 18. Juni. Der Chemiekonzern BASF hat aus den Schwierigkeiten mit der Zulassung seiner Genkartoffel Amflora in Europa Konsequenzen gezogen. Die Forschungsstrategie im Geschäftsfeld grüne Gentechnik wird neu ausgerichtet. Die BASF verzichtet auf rein europäische Forschungsprojekte wie zum Beispiel Amflora. In Zukunft wird nur noch erforscht, was sich auch international umsetzen lässt. Das kündigte der zuständige Vorstand Stefan Marcinowski im Gespräch mit dieser Zeitung an. Als Beispiele nannte er Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen, oder die Erhöhung der Ausbeute bei Baumwolle, Mais, Soja und Raps. Die Märkte der Zukunft sind hier allen voran Amerika und Asien.
Die Genkartoffel Amflora dagegen war von vornherein nur für den Gebrauch in Europa gedacht, und zwar als Rohstoff für die Stärkeindustrie, die wiederum Vorprodukte für die Papier- und Klebstoffproduzenten herstellt. In den Vereinigten Staaten setzt die Stärkeindustrie traditionell auf Mais als Rohstoff, in Asien und Teilen Lateinamerikas auf Maniok. Mit dem gut zehn Jahre alten Amflora-Projekt hat die BASF eine Kartoffel mit einem besonders hohen Stärkeanteil geschaffen. Auf 100 Millionen Euro summiert sich nach Marcinowskis Berechnungen der Vorteil durch Amflora in der gesamten Stärke-Wertschöpfungskette.
"Wir geben den Kampf um die Amflora-Zulassung nicht auf", bekräftigt Marcinowski, "da wir hundertprozentig überzeugt sind, dass Amflora gegenüber Menschen und Umwelt genauso sicher ist wie eine herkömmliche Kartoffel." Deshalb erwäge die BASF auch weiterhin eine Klage wegen Untätigkeit gegen die EU-Kommission. Amflora könnte längst auf dem Markt sein, doch das Zulassungsverfahren zieht sich hin. Amflora war eines der ersten Pflanzenbiotech-Projekte in Europa, erzählt Marcinowski.
Die europäische Behörde für Lebens- und Futtermittelsicherheit EFSA hat der Amflora-Kartoffel zwar die Unbedenklichkeit bescheinigt. Anschließend stimmte der EU-Ministerrat ab, wobei sich weder für die Zulassung noch für eine Ablehnung eine qualifizierte Mehrheit ergab. Seitdem ist der EU-Umweltkommissar Stavros Dimas am Zuge. Während die BASF der Ansicht ist, dass es keine Argumente mehr gegen die Zulassung gibt, hat Dimas erst einmal bei EFSA eine neue Bewertung angefordert. Somit ist eine Entscheidung vor dem Herbst nicht mehr zu erwarten. "Wir wurden und werden Jahr für Jahr in die Warteschleife gesteckt", kritisiert Marcinowski. Die Unterstützung durch die deutsche Politik könnte stärker sein, moniert er.
Für Marcinowski ist diese Verzögerung ein weiteres Beispiel dafür, dass Europa, einst führend in der grünen Gentechnik, den Vorsprung ohne Not verspielt. "Bisher gab es überhaupt nur eine Zulassung für genveränderte Pflanzen in Europa, in den Vereinigten Staaten dafür schon 70", zählt Marcinowski auf. Aus seiner Sicht ist der europäische Widerstand gegen die grüne Gentechnik in Deutschland und Österreich am stärksten ausgeprägt, während sich die Niederlande und Großbritannien aufgeschlossener zeigten. In Frankreich sei die Situation uneinheitlich.
Der Widerstand ist aus Marcinowskis Sicht schon deshalb absurd, weil Verbraucher, etwa über Importe von Lebensmitteln, die mit gentechnisch erzeugtem Futter produziert worden sind, ohnehin mit der grünen Gentechnik häufig in Kontakt kommen. "60 bis 70 Prozent aller Nahrungsmittel kommen mit Gentechnik in Berührung, etwa über Futtermittel oder Zusatzstoffe wie Enzyme", sagt Marcinowski. Gleichwohl sieht er die Chance, dass sich die Einstellung der Europäer und ihrer Politiker ändert. Dafür werde die Verteuerung der Lebensmittel, aber auch die generelle Ressourcenknappheit in der Landwirtschaft sorgen, die bei der zunehmenden Weltbevölkerung immer drängender werde. Hier könne die grüne Gentechnik einen wichtigen Beitrag leisten.
Der Beitrag der BASF wird allerdings immer stärker aus den Vereinigten Staaten und aus Asien stammen. Schon 2007 hat der Konzern erstmals einen größeren Teil seiner Forschungsausgaben für Pflanzenbiotechnologie außerhalb Europas getätigt. In erster Linie fließen diese Mittel inzwischen in die Vereinigten Staaten. Dort hat die BASF mit dem führenden Saatgut- und Pflanzenschutzkonzern Monsanto eine Forschungskooperation vereinbart. Falls es daraus entstehende Produkte bis auf den Markt schaffen, teilen sich BASF und Monsanto die Vertriebserlöse im Verhältnis 40 zu 60 Prozent. Das erste gemeinsam entwickelte gentechnische Produkt, ein trockenheitstoleranter Mais, wird nach Marcinowskis Worten frühestens 2012 auf den Markt kommen. Die Zusammenarbeit laufe bestens. In den vergangenen zehn Jahren hat die BASF rund 1 Milliarde Euro in die Pflanzenbiotech-Forschung gesteckt. Das bekannteste Produkt ist die besagte Amflora.
Zwar ist die Amflora nach Marcinowskis Worten ausschließlich für die industrielle Weiterverarbeitung gedacht und keinesfalls für die menschliche Ernährung. Doch selbstverständlich hat Marcinowski die Genkartoffel schon probiert. "Etwas breiig", beschreibt er ihren Geschmack, "für Kartoffelsalat nicht geeignet." Als er bei der jüngsten BASF-Hauptversammlung eine Amflora-Kartoffel öffentlich verspeisen wollte, bremsten ihn die Hausjuristen. Das wäre ein sogenanntes Inverkehrbringen, und das ist ohne EU-Genehmigung verboten.
Text: F.A.Z., 19.06.2008, Nr. 141 / Seite 14
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