- Literatur und Erbauungsliteratur: " In einem Lazarett an der Ostfront wurde der Soldat Heinrich Böll im Dezember 1943 von Kolonialphantasien übermannt. Oft denke er, heißt es in seinen Briefen ..." (11.9.07 FAZ). Auch aus Frankreich schrieb der junge Böll anmaßende Zeug über "die Franzosen"; daß er zeitlebens recht bescheiden gebildet blieb, erklärt nicht, daß ein junger Mann aus rheinisch-katholischem Milieu nationalistisch überheblich dachte. Der Katholizismus blieb auf Distanz zum nationalen Sozialismus. Der katholische Hintergrund hätte ihn schützen müssen gegen das braune Zeug, wieso tat er das nicht? Die Frage läßt sich noch vertiefen. Götz Aly wies in einem Leserbrief “Paketsendungen von der Front . Zu "Adolf Normalverbraucher?" (F.A.Z. vom 10. Juli): Die Statistiken zur deutschen Kriegsernährung, die Rainer Blasius nach einem postum veröffentlichten ...” FAZ 14.7.10, darauf hin, daß Böll seiner Annemarie aus Frankreich über emsiges Packen von 11 Paketen schreibt, in denen er Waren nach Deutschland schickt. Der junge Böll präsentiert sich als abstoßender, überheblicher Mensch. Merkwürdig. Wie paßt das mit dem Moralisten zusammen, als der er sich später darstellt?
Zweifellos wird er dazugelernt haben. Schon öfter wurde aus einem Nationalisten das Gegenteil. Möglicherweise war die Scham darüber der Grund, warum seiner Moralisiererei etwas Triefendes anhaftete. Oder war es eine Selbsttherapie im Sinne des Kommentars, der auf der Rückseite von Bölls “Billard um halbzehn” (dtv 1974) prangt? Dort wird Reich-Ranicki zitiert: “Wenn die Geschichten von Schicksalen, die um der Wahrheit willen erfunden wurden, noch heutzutage auf die Leser einen Einfluß ausüben können, dann ist wohl der Roman Heinrich Bölls dazu angetan, den Menschen besser zu machen. Was könnte man von einem Moralisten mehr sagen?”
Sehr naiv hört sich das an: “den Menschen besser zu machen”. Leute, die Erbauungsliteratur lesen, gehören wohl kaum zu den Schurken.
Jedenfalls hätte Reich-Ranicki durchaus noch empfehlen können, besser zu schreiben, die Figuren differenziert zu zeichnen, den Stoff komplexer und weniger eindimensional zu bearbeiten.
Vielleicht hätte das gewirkt. Nach “Billard um halbzehn” wurde er immer holzschnittartiger, sprachlich immer ärmer. Da spricht er von “einer bewohnbaren Sprache in einer bewohnbaren Welt”. Eine bewohnbare Welt gab es schon bei den Neanderthalern, eine “bewohnbaren Sprache” gibt es bis heute nicht, damit meint er wohl Erbauungsliteraturdiktion. Allerdings darf man nicht vergessen, daß Böll stets gegen Arbeitsmoral agitiert, seinen Robert Fähmel aus “Billard um halbzehn” läßt er nur eine Stunde täglich Büroarbeit verrichten, dann geht die Hauptfigur Billard spielen, morgens halbzehn. Den Fischer in seiner in Schul-Lesebüchern weit verbreiteten “Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral” läßt er gleich am Strand liegen.
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