Sonntag, 1. August 2010

Norbert Elias und sein „Prozess der Zivilisation“





Gedenktafel in Breslau
Foto: Bonio




- Norbert Elias und sein „Prozess der Zivilisation“ : Schon Heraklit sah die ständige Veränderung, daher das ihm zugeschriebene Wort „Alles fließt“. Das ist bei Elias also nicht neu. Wenn er also den Prozeßcharakter aller Phänomene betont, dann offenbar nur, um Vorstellungen vorzubeugen, die Gesellschaft statisch zu sehen. Wörter und Begriffe werden gerne so aufgefaßt, als seien sie Dinge von fester und dauernder Beschaffenheit. Immer wieder wird beispielsweise vor einem Auseinanderfallen der Gesellschaft gewarnt, als könne die Gesellschaft Auseinanderfallen wie ein alter Tisch. Die Gesellschaft ist aber nur ein unzureichendes, schwaches Wort für tausendfach verschränkte Prozesse, die mit und zwischen Menschen ablaufen, meist im Zusammenhang mit der Arbeitsteilung, und die ständig für einen gewissen Wechsel und auch für Neues sorgen. So lange es Menschen gibt, dafür sorgt schon die Arbeitsteilung der Geschlechter, so lange wird es auch Arbeitsteilung geben, und so lange es Arbeitsteilung gibt, bildet sie "Gesellschaft".

Aber werden die Prozesse auch immer Zivilisation hervorbringen, wie sie Elias sieht, als eine Entwicklung von Rohheit zu Verfeinerung durch eine fortschreitende Disziplinierung des Individuums, das heute kein normales Verhältnis mehr zur Gewalt hat, wie dies vor 500 Jahren in Europa normal war und wie es in manchen Weltgegenden noch normal ist, also ungehemmt und impulsiv dreinschlagend? Ob Gewalt, Sexualität, Hygiene, Tischsitten - sie wurden allesamt einer Verfeinerung unterworfen, wie Elias sie materialreich dargelegt hat.
Welche Kräfte dies bewirkt haben, bleibt bei Elias etwas undeutlich. Er sieht sie wohl in der Arbeitsteilung selbst, die immer differenziertere Formen und Prozesse hervorbrachte, sie begleitend immer intensivere und enger verzahnte Kommunikationen, damit verbunden die Absicherung der gegenseitigen Verhaltenserwartungen und die Sanktionierung bei abweichendem Verhalten. So könnte es sein.

Wie hätte er Megamassenzusammenballungen mit entsublimiertem Musik-Sex-Drogenprogramm wie die LOVEPARADE analysiert?
Elias, der am 1.8.1990 starb, kommentierte sich autobiographisch: "Ich wußte, daß ich Glück mit mir hatte."

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