Kathedrale in Ciudad Juarez, Nordmexiko
(Bild: François Hirsch / Wiki.)
El Paso und Ciudad Juarez liegen nah nebeneinander, sie sind nur durch einen Fluß getrennt. Aber Welten trennen sie. Die eine fällt durch überbordende Gewalt auf, die andere gilt als sicherste Stadt der USA. In El Paso zählt sich zwar die Hälfte der Bevölkerung zu den Katholiken, ein für die USA sehr hoher Anteil, was an der früheren spanischen Kolonisierung liegt, doch die Mentalität der Stadt wird durch den calvinistischen bzw. reformierten Norden bestimmt. Einen ähnlichen Effekt gibt es in Paraguay, wo die Wirtschaft durch die reformierten Mennoniten dominiert wird inmitten einer katholischen Mehrheit.
Durch Lohnfertigungen u.a. aus El Paso wuchs das mexikanisch-katholische Ciudad Juarez stark, blieb aber eine besonders gefährliche Stadt, sie trägt gar den traurigen Titel “Welthauptstadt des Mordes”. Die hohen Mordraten verdanken sich vor allem der Bandenkriminalität, aber auch einer langjährigen Mordserie an Mädchen und jungen Frauen. Von 700 Opfern ist die Rede, die Journalistin Lydia Cacho recherchiert dazu, wie sie auch ein Buch über das Verbrechen in ihrer südmexikanischen Heimatstadt Cancun veröffentlicht hat.
Manches erinnert an das mafiöse Süditalien, wo das langjährige Müllproblem andauert, weil die Verflechtung von Mafiafamilien, Politik und Bevölkerung offenbar eine zivilisierte Lösung verhindert. Aber auch im sonstigen Italien herrscht eine Kultur der Lässigkeit, des Wegsehens und Vergessens, im Norden weniger als im Süden, in ganz Mexiko wie in Süditalien.
Die völlig andersartige Situation im texanischen El Paso ist schwer erklärbar, wenn man nicht auf die konfessionell bedingten Traditionsunterschiede sieht: die gemütliche Sündenkultur im Katholizismus mit ihrer Vergebung der Sünden nach der Beichte durch Priester und, auf der reformierten Seite, dem Disziplinaufbau durch ein unmittelbares Verhältnis zu dem imaginierten Gott, der das ICH des Gläubigen unmittelbar anblickt und der keine vergebenden Funktionäre beschäftigt. Die religionspsychologischen Folgen bewirken in der Traditionsbildung ganz offenbar große Unterschiede, während die geglaubten Inhalte als solche keine Rolle spielen.
Blick auf El Paso, Texas
(Bild: Wiki.)
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