Hier drängte sich wieder die Jugend vor, kaum daß die Alten über 30 noch einen Platz bekamen.
Das war doch schöner als die vielen polnischen Gehässigkeiten nach dem Diktat von Versailles 1918. (Vgl. Golo Mann, Dt. Geschichte, 10. Kap.) Aus Posen waren sie angereist, die jungen Damen des Klaviertrios, und spielten im schönen ehemaligen Haniel-Herrensitz “Maria in der Aue” im Bergischen Land nahe Köln. Das alte “Mitteleuropa” hat wieder den lang entbehrten Anschschluß nach Westen; der war verlorengegangen, nachdem sich die russischen Panzer bis zur Oder-Neiße vorgeschoben hatten, den “Ostblock” errichteten und durch den “Eisernen Vorhang” einschlossen. Die polnischen Kommunisten raubten einen Teil Mitteldeutschlands, darunter eben auch die alte deutsche Stadt Posen. Der Zusammenbruch der sozialistischen Systeme eröffnete seit 1989 neue Perspektiven und macht vielfachen und nicht nur musikalischen Austausch möglich.
Das Posener Klaviertrio spielte Beethoven op. 70 Nr. 1, Rachmaninow g-moll Nr. 1 und, natürlich, Chopin (g-moll op. 8). So richtig zu dem Sommerwetter und dem neobarocken Spielort paßte nur der Beethoven, wenn man den mittleren “Geister”-Satz nicht zu ernst nimmt. Das “Trio élégiaque” Rachmaninows kann dagegen zu jeder Trauerfeier im dunklen November gespielt werden; aber die Damen spielten es mit Hingabe und mit ausgefahrenem Gefühl. Dies traf auch für das Chopin-Trio g-moll zu, das ebenfalls, zumal mit der tief geführten Violine, auch nicht gerade ein c-dur-Jubelstück ist.
Man muß die Stücke und die Damen nehmen, wie sie kommen. Oder auch dialektisch betrachten: Rachmaninow, “eighty inches of Russian gloom”, so Strawinsky über den Kollegen, das ist die Vergangenheit, der Beginn des “Eisernen Vorhangs”, als Rachmaninow sich vor den Lenin’schen Barbarenhorden, “Sowjets” genannt, in Sicherheit bringen mußte. Er kehrte nie nach Rußland zurück und starb 1943 in Beverly Hills (sic!). Dieses blutrünstige 20. Jahrhundert der beiden Totalitarismen ist durchlitten und überwunden. Im 21. Jahrhundert darf ein polnisches Trio mal eben ins Auto steigen und den elegischen Rachmaninow in neobarockem Sonnenlicht spielen. Gute Dialektik.
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