Am STEINWAY aus Argentinien
Heinrich Engelhard Steinweg alias Henry Steinway von Steinway & Sons verließ seine Heimat und ging nach Neu-Europa. Dort konnte ein tüchtiger Mensch etwas werden und wurde durch Geld geadelt, statt durch den Geburtsadel und den Zunftadel behindert und schikaniert zu werden. Goethe meinte ja schon in seinem späten Gedicht von 1827 “Den Vereinigten Staaten”, daß Amerika es besser habe. Jedenfalls Steinweg hatte es in NYC besser als in Braunschweig. Und paßte sogar seinen Namen an. War der Mann denn dann noch authentisch? Wie stand es um seine Identität? Und seine Wurzeln? Abgeschnitten?
Um mit den Wurzeln anzufangen: die sind eine tolle Sache, wie überhaupt die ganze Pflanze, die in zwei sehr verschiedenen Welten lebt. In einer dunklen unten und einer hellen oben. Aber der Mensch lebt nur an der Luft, und auch unter Wasser schlägt er keine Wurzeln, obwohl er eine ganze Reihe von Genen mit dem Salat gemeinsam hat und der Salat von ganz weit her auch zu unseren Vorfahren zählt. Denn erst war das Gemüse da, dann erst die Fauna. Steinweg konnte also gut ohne Wurzeln leben und auch noch Klaviere bauen obendrein. Das Wurzelgeschwätz entbehrt des rationalen Bodens und stammt, wie könnte es anders sein, aus geistes”wissenschaftlichen” Sphären.
Und die Identität? Wußte der Mann denn noch, wer er war, wenn er aus dem New Yorker Fenster sah und keine Braunschweiger vorbeiliefen? Nun, er scheint keine Probleme gehabt zu haben. Das neue Leben war ihm lieber als der alte Braunschweiger Muff. Vielleicht setzte er sich sogar jedesmal, wer weiß, an den Steinway, wenn er an den Harz dachte, und intonierte “Kehrt die blöden Welfen raus”, unterlegt mit einer Haydn-Melodie. Ja, auch mit der Identität verhält es sich nicht anders: Philosophengeschwätz.
Aber authentisch muß der Mensch doch sein! Was ist mit der Authentizität??? Können wir denn einfach unseren Namen ändern und auf die Heimat pfeifen, ohne uns dauernd mit einem Kopfsalat zu verwechseln?
Ach, wie sag’ ich’s meinem Kinde? Es geht! Denn die “Authentizität” ist auch nur ein Gummiwort. Ich glaube, nicht einmal aus der PhilFak, sondern von dort, wohin einige der besonders Schwatzbegabten aus der Phil. Fakultät gehen: aus dem Moderatoren-Studio. Dort wurde freilich noch nie ein STEINWAY erfunden.
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