Mittwoch, 14. Mai 2014

Starkes Fundament




Der US-Kongreß (Bild) besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat. 
Beide Kammern werden gewählt! Dies ist ein sehr großer Unterschied zu Deutschland, wo zwar auch 2 Kammern existieren, aber nur der Bundestag tatsächlich gewählt wird. Der Bundesrat, die Länderkammer, ist nur eine zehntel Portion und wird von den regierenden Länderparteien bestimmt. Auch hier kommt die wählerfeindliche Gesamthaltung des GG zum Ausdruck. Der Länderfinanzausgleich tut ein übriges, ordnungsgemäß sparsame Länder zu bestrafen. 
In den USA gibt es diese Einrichtung nicht, jeder Einzelstaat ist für sein Ausgabeverhalten selbst verantwortlich.


7.05.2014 FAZ P. Bahner
"Demokratie kommt ohne Völker aus

Jürgen Habermas hat in Princeton einen Plan zur Reform der Europäischen Union vorgelegt. Wenn es nach ihm geht, soll die EU sich die amerikanische Verfassung zum Vorbild nehmen.
Jürgen Habermas hat in einem Vortrag an der Universität Princeton seinen Plan für eine Reform der Institutionen der Europäischen Union nach dem Muster der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgestellt. Den Mangel an demokratischer Legitimität soll ein Übergang zur parlamentarischen Regierungsweise beheben. Der Clou: ein Zweikammersystem wie in Washington. Den Ministerrat will Habermas in ein Staatenhaus überführen, in das alle Mitgliedsstaaten die gleiche Zahl von Vertretern entsenden. Die Kommission als Regierung wäre beiden Kammern verantwortlich.
Den Senat mit den zwei Senatoren pro Bundesstaat rühmte Habermas als die große staatstheoretische Innovation der amerikanischen Verfassungsgebung. Die Gründerväter hätten das Prinzip der Gleichheit der Staaten aus dem Völkerrecht ins nationale Recht übertragen, um die Mitglieder der Union vor der Überwältigung durch die Bundesgewalt zu schützen. In Europa möchte Habermas durch dieselbe Vorrichtung erreichen, dass die Einzelstaaten das in der jeweiligen nationalen Verfassungsgeschichte erreichte demokratische Niveau verteidigen können. ...“

Zweifellos würde eine Verfassung nach dem Vorbild des amerikanischen 2-Kammer-Systems die demokratische Legitimität der EU erhöhen. Dies träfe auch für das System der Schweiz zu. Zu beiden Systemen gehört aber eine große Selbständigkeit der Kantone und Einzelstaaten. Die scheint Habermas gleichgültig zu sein. Damit rücken seine Vorstellungen in ein Zwielicht, denn direkte Abstimmungen der Bürger haben ihr Fundament in den Regionen. Dort besteht eine überschaubare politische Öffentlichkeit, in der Gesetze und Regelungen diskutiert und Abstimmungen durchgeführt werden können. Der einzelne Bürger hat jederzeit, der Möglichkeit nach, eine Stimme, er stellt keinen 4-Jahres-Blankoscheck aus, den durch eine 5%-Hürde geschützte Parteien zu Versäulung ihrer Macht verwenden können. Je größer die Einzelstaaten sind, desto schwieriger wird es für den einzelnen Bürger, sich in einer politischen Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, desto schwächer wird sein Stand. Je schwächer er aber ist, desto stärker ist die Regierung, die diesen Vorteil für sich und gegen den Bürger ausnützt, sei es mit Vorschriften, sei es mit Fürsorge. Beides verzehrt die Freiheit des Bürgers. Deswegen scheint mir das Schweizer Modell Vorzüge zu besitzen, weil darin die Basisrechte des einzelnen Bürgers größere Chancen besitzen als im ebenfalls akzeptablen US-Modell, das dem Präsidenten eine starke Stellung gibt. Die Bundesregierung in Bern kann zwar Beschlüsse fassen und sie im Parlament absegnen lassen, ob die aber in den Kantonen zum Zuge kommen, ist ungewiß. Dort können Abstimmungen andere Ergebnisse erbringen, wie auch die Möglichkeit zu schweizweiten Abstimmungsinitiativen die Politik der institutionell eher schwachen Bundesregierung konterkarieren kann.
Für die Freiheiten des einzelnen Bürgers hat sich Habermas jedoch nie interessiert. Er ist darin ein echter Aristoteliker, der vom Staat aus denkt.


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