Ein ganz großer Stern in der Intelligenzforschung ist Elsbeth Stern leider nicht. Immerhin geht sie der Empirie nicht aus dem Weg: „Manche Personen verbesserten sich stark (wir bezeichnen sie als die ‚Lernfähigen’), andere Personen zeigten trotz Trainings kaum Leistungszuwachs.“ (Stern/Neubauer, Intelligenz, S. 173, Neubauer et al., 2004)
So ist das. Die Intelligenteren sind lernfähiger als die weniger intelligenten Trainingsteilnehmer im Grazer Labor. Anderswo ist das auch so. Nun will Stern aber gefunden haben, daß es „konkrete und abstrakte Lerntypen“ nicht gibt. (Ebd., S. 256) „Vom Lernziel und nicht von Merkmalen der Lernenden hängt es ab, welche Lernziele mit vertretbarem Aufwand erreicht werden können.“ (Ebd., S. 257)
Genau diese Frage stand am Anfang der ersten Intelligenztestentwicklung 1910 in Paris bei Alfred Binet und Theodore Simon. Die schwächeren Lerner sollten eine andere Schule besuchen als die stärkeren. Daher stammt die Dreiteilung des Schulsystems in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Diese Teilung lehnt Stern ab und plädiert für die Gesamtschule mit interner Differenzierung für verschiedene Lernstärken. Kronzeuge, daß das funktionieren kann, ist ihr die finnische Gemeinschaftsschule mit ihren PISA- und TIMMS-Ergebnissen. Sowohl die 15% schwächsten wie die 15% stäksten Schüler sollen profitieren in einer „Kultur der Individualisierung“. Pasi Sahlbergs „Finnish Lessons“ empfiehlt sie zur Lektüre. Entsprechend kommt bei Stern/Neubauer das Duale System der Berufsbildung bestehend aus Lehre und Berufsschule gar nicht vor. Alle lernen ja gleich vom Typ her.
Dabei wissen wir schon von Eysenck, daß Introvertierte und Extrovertierte etwas anders lernen, und aus der Schulpraxis ist bekannt, daß es Schüler und Studenten gibt, die den Lehrstoff nach einmaligem Hören abgespeichert haben, während andere sehr viele Wiederholungen benötigen und oft die einfachsten Abstraktionsstufen nicht überwinden können. Es ergibt sich deswegen bei Stern/Neubauer der Verdacht, daß sie Gemeinschaftsschul- und Akademisierungsapostel sind. Das Duale System wurde übrigens gerade von den OECD-Kollegen Sterns – nachdem sie es lange als minderwertig beargwöhnt haben – gelobt als erfolgreich bei der Integration in den Arbeitsmarkt.
Ob Stern/Neubauer da bald folgen werden?
1 Kommentar:
“Intelligenz. Große Unterschiede und ihre Folgen” lautet der Buchtitel von Stern und Neubauer. Dabei fällt auf, daß die Doppelnatur von Intelligenz ganz ausgeblendet wird. Dies ist fast überall so. Demonstrieren heute nicht sehr viele intelligente Menschen in Deutschland gegen TTIP und CETA? Waren nicht viele sehr Intelligente wie Schellnhuber und Gore bei der Erfindung des Klimaklamauks beteiligt? Waren nicht Lenin, Stalin, Hitler, Mao und Pol Pot hochintelligente Diktatoren? Hat nicht schon der schlaue Platon in seiner Schrift “Politik” Diktatur sowie die Menschenzüchtung für politische Zwecke propagiert? Und war nicht sein superintelligenter Schüler Aristoteles der Verkünder des Anspruchs, daß die Hellenen eine Herrenrasse seien und Sklaven ihr zu dienen hätten? Und hätte Alexander seine großen Eroberungs- und Raubzüge ohne hohe Intelligenz anführen können?
Die Intelligenz trägt ein Janusgesicht.
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