Sorge
Wen ich einmal besitze,
Dem ist alle Welt nichts nütze;
Ewiges Düstre steigt herunter,
Sonne geht nicht auf noch unter,
Bei vollkommnen äußern Sinnen
Wohnen Finsternisse drinnen,
Und er weiß von allen Schätzen
Sich nicht in Besitz zu setzen.
Glück und Unglück wird zur Grille,
Er verhungert in der Fülle;
Sei es Wonne, sei es Plage,
Schieb er's zu dem andern Tage,
Ist der Zukunft nur gewärtig,
Und so wird er niemals fertig.
Goethe, Faust II
Was sagt Kahneman dazu?
„Wenn Sie genetisch mit einer optimistischen Einstellung ausgestattet wurden, braucht man Ihnen kaum zu sagen, daß Sie sich glücklich schätzen können - Sie fühlen sich bereits vom Glück begünstigt. Eine optimistische Einstellung ist größtenteils erblich bedingt, und sie ist Teil einer allgemeinen Disposition zum Wohlbefinden, die auch die Tendenz umfassen mag, bei allem die positive Seite zu sehen. Wenn Sie für Ihr Kind einen Wunsch frei hätten, sollten sie ernsthaft in Betracht ziehen, ihm Optimismus zu wünschen. Optimisten sind normalerweise fröhlich und zufrieden und daher beliebt; sie kommen gut mit Fehlschlägen und Notlagen zurecht, sie haben ein geringeres Risiko, an einer klinischen Depression zu erkranken, ihr Immunsystem ist stärker, sie achten besser auf ihre Gesundheit, sie fühlen sich gesünder als andere und sie haben tatsächlich eine höhere Lebenserwartung.“ (Kahneman, Denken, S. 315)
Ich setze hier „Sorge“ mit „Pessimismus“ gleich, und dazu meinte der Vermögensverwalter Heiko Thieme seinerzeit stereotyp: „Pessimismus ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst.“ Das ist nun auch ein Beruf, der als Eingangsvoraussetzung eine optimistische Einstellung erfordert.
Dies gilt aber grundsätzlich auch für Erfinder, Unternehmer und - Wissenschaftler.
„Bis jetzt bin ich noch keinem erfolgreichen Wissenschaftler begegnet, dem die Fähigkeit fehlt, die Bedeutung seiner Arbeit hochzuspielen.“ (Ebd., S. 326)
Der Optimismus verleiht ihnen Durchschlagskraft.
Doch gibt es von allem ein Zuviel. Die SORGE kann man allerdings als ein zuwenig an Optimismus ansehen, als Defizit, wie es Goethe am Ende des Faust II tut.
Die zitierten Studien sehen als Vorteil des Sorgens vor allem mehr Arztbesuche und wahrgenommene Vorsorgeuntersuchungen, von denen sie annehmen, daß sie in der Regel nützlich sind. Der Saldo dieser Untersuchungen dürfte allerdings unklar sein, wie Brust-Durchleuchtungen und Prostata-Untersuchungen andeuten.
Vgl.
http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/der-vorteil-des-sorgens-14995863.html
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/spc3.12311/full
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