Wolf Biermann
Rilke Rilke
(für Heinrich Senfft, der’s auch besser weiß)
Der riesendunkle Rilke. Leere Puderdose. Reimer!
Ein ewig unbestimmtes Ahnen weht verzückt
Ein evangelisch abgehärmtes Raunen
Verliebte Innenwelt im goldnen Abfalleimer
Der Weltgeschichte fürs Elitepack. Doch glückt
Dem Dichter manches Strophenbündel, das mich wild
Vor Neid macht, und mit kindlichem Erstaunen
Trifft mich mein grobes Deutsch, so biegeschlank
Wie kommt das bloß, daß aus der welken Hand
So Rosen wirklich blühn und jung die Sprache quillt
In dieses einzige und ganz verdorbne Vaterland
...
So schenkt er Schatten seines Seelendämmerlichts
An Sonnensüchtige, teilt elegante Schmerzen aus
Und reiß ich mir auch Steine aus der Torte raus
Hab ich am Ende doch die Hände voll mit nichts
Nichts. Nichts zum Schmeißen, nichts zu essen.
Quelle: Ein Fax v. 5.11.96, ohne Fax-Kennung
Wie immer nahm Biermann hier die Schnauze voll, zu voll an einigen Stellen, mundfertig an anderen. Es ist wohl ein frühes Gedicht Biermanns. Damals war er noch ein linker Spinner von Gnaden Brechts - der bei dem SED-Diktator Ulbricht, der ihn bezahlte, zweifellos auch zum “Elitepack” zählte - heute ist Biermann ein geläuterter Reimer, der den Kommunismus nicht mehr singt. Lebenserfahrung macht auch aus Spinnern mehr, als sie in jüngeren Jahren waren.- Was Rilke betrifft, so trifft manches der Tendenz nach zu, wenn auch stark vergröbert.
Vor allem aber: “Doch glückt
Dem Dichter manches Strophenbündel”.
Das ist so.
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