Mittwoch, 16. Juni 2021

Platons Vorlage für Johannes

Mit der Verlängerung seiner Staatsvorstellungen ins Jenseits - in Himmel und Erde - versteht er den Staat, die kleine griechische Polis, als eingeordnet in den großen göttlichen Kontext. Das streift die Vergöttlichung der Staatsidee, die damit Geschichte und Gesellschaft entrückt ist. Platons Strafgericht findet statt zwischen zwei Öffnungen, dazwischen sitzen die Richter und entscheiden, wer in die Himmelsöffnung gelangen soll und wer in die Erdöffnung. 

“die Hauptursache aber davon, berichtete er (der Offenbarungsbote, WD), habe darin bestanden, daß für Alles, was jeder Einzelne jemals Unrecht übte und gegen wie viele er es übte, jeder der Reihe nach Buße gethan, und zwar zehnmal für jedes Einzelne: dieß aber trete je in einem Zeitraume von hundert Jahren wieder ein, weil dieß die Dauer eines menschlichen Lebens ist, damit nemlich die Buße, in welcher sie büßen, eben eine zehnfache sei (FN: Nemlich während der tausendjährigen Wanderung büßen sie auf diese Weise zehnmal, da alle hundert Jahre dieser Vollzug der Strafe wiederholt wird.) , und damit z. B. wenn Einige an vielen Mordthaten die Schuld tragen oder Staaten oder Heerlager verrieten und in Sklaverei brachten, oder an irgend anderen schlechten Thaten Mitschuldige waren, sie für jedes Einzelne von all diesem zehnfache Schmerzen davontragen, und hinwiederum auch, wenn Einige treffliche Thaten geübt haben und gerecht und frevellos gewesen waren, sie in der nemlichen Weise den verdienten Lohn davontragen.” 

Platon. Der Staat (Kindle-Positionen6793-6800)

 

Der große Zentralknüppel muß also herhalten, offenbar entliehen von den alten Ägyptern. Der Johannes der Apokalypse schöpft danach aus dieser Ideengeschichte, hebt sie aber sprachmächtig auf Epos-Niveau und entindividualisiert sie tendenziell. Das irdische Sündenbabel, die Großstadt Babylon, muß in einem universalen Strafgericht dem himmlischen Jerusalem weichen. 

Man sieht den intellektuellen Abfall zu Platon. 


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