Samstag, 3. Dezember 2011
Penner in der Penne
Henri Matisse Asphodèles
"Sträuße - doch die Blätter fehlen,
Krüge - doch wie Urnen breit,
- Asphodelen,
der Proserpina geweiht -"
Gottfried Benn
MARKTANALYSE
"Der Kunde zur Gemüsefrau: ,Was lesen Sie denn da, meine Liebe? Ein Buch von Ernst Jünger?"
Die Gemüsefrau zum Kunden: ,Nein, ein Buch von Gottfried Benn. Jüngers kristalline Luzidität ist mir etwas zu prätentiös. Benns zerebrale Magie gibt mir mehr."
Erich Kästner in den Stuttgarter Nachrichten 29.12.1949
>> Überflüssige Anglizismen - eine Deutschstunde
Zum Artikel über Gottfried Benn "Seine Muse war die Krise, seine Freundin war das Bier" (F.A.Z.-Feuilleton vom 29. Oktober): Wir wissen zwar, dass bekanntlich hinter jeder F.A.Z. ein "kluger Kopf" steckt, doch sollten Ihre Berichte so verfasst sein, dass auch Köpfe, die "noch klüger" werden wollen, dem Inhalt folgen können. Auch plädieren wir dafür, angehalten von unserem Deutschlehrer, Anglizismen zu vermeiden.
Allein dieser Satz: "Es ist wahr, die Coolness dieses Dichters, sein raffiniert verschattetes Pathos, der melancholische Sound seiner Zerebrallyrik wirken immer wieder unwiderstehlich" wirkte auf uns unwiderstehlich, er war Gegenstand unserer Deutschstunde. Wir bitten Sie im Sinne einer jugendlichen Leserschaft, künftig Ihre Texte verständlicher und ohne überflüssige Anglizismen zu formulieren, denn solche Satzkonstruktionen wirken abschreckend und motivieren uns nicht, Ihre Zeitung zu lesen. <<
KLASSE 10A DES KAROLINEN-GYMNASIUMS FRANKENTHAL/VORDERPFALZ, LB Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.2011
2 Sätze nur, und keine Schachtel
2 Jugendwörter noch dazu
ein bißchen Pathos noch und Cerebrum
- und schon ist die Stunde um!
10 Jahre Schule –
war’s des Aufwands wert?
Wär’s besser nicht
drauf zu verzichten?
- Benn (1886-1956): "Wir befinden uns im Zeitalter der Aphorismen und Anthologien, im Zeitalter der Offerte, des Reizangebots, der Schmackhaftmachung, man kann auch sagen im Zeitalter der Erleichterung der schweren Dinge. Mundgerecht soll alles gemacht werden, keiner soll mehr an einer selbstbestellten und selbstbeurteilten Hauptnahrung herumkauen müssen, die vielleicht seinem Gebiß Schwierigkeiten macht. ... also: Kleine Bissen, vorgekaut, weichgekocht." Benn, Ges. W., ed. Wellershoff, Bd. 7 (Verm. Schr.), S. 1794
Inzwischen befinden wir uns schon im Äon der großen Bilder, des gymnasialen Analphabetentums und der Lottozahlennachrichten – auf dem Weg zum Cerebellum.
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