“Bei der Besetzung der Ämter nehmen sie mehr Rücksicht auf gute Sitten als auf Fähigkeiten, denn da eine Regierung für die Menschen einmal notwendig sei, genüge auch das gewöhnliche Maß des Verstandes für die eine oder andere Stellung; die Vorsehung habe die Behandlung der Staatsangelegenheiten nicht zu einem Geheimnis gemacht, das nur von wenigen Personen erlesenen Geistes verstanden werden könne … Dagegen hegen sie die Meinung, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und andere Tugenden könnten von jedem Menschen geübt werden. ...
Dagegen könne der Mangel an moralischen Tugenden durch überlegene Geistesgaben keineswegs ersetzt werden, und sie sind der Meinung, daß kein Amt so gefährlichen Händen anvertraut werden dürfe”.*
Unverkennbar gibt hier der Frühaufklärer Swift den Engländern dringende Hinweise für ein demokratisches und gutes Regiment. Schon Seneca tat das als Erzieher Neros in der Schrift “De Clementia” (Von der Milde), genutzt hat es nichts. Auch den in der Zeit folgenden Fürstenspiegeln als Anweisungen für gutes Regieren - heute good Government geheißen - war nicht mehr Erfolg beschieden. Auch nicht Barbara Tuchmans historische Abrechnung von 1983 “Die Torheit der Regierenden”.
Woran könnte das liegen? “Unsere Regierungs- und Gesetzesinstitutionen spiegelten deutlich unseren großen Mangel an Vernunft und somit auch an Tugend wider, denn Vernunft allein genüge schon, ein vernünftiges Geschöpf zu regieren”**, erfährt Gulliver von den Houyhnhnms, England betreffend. Und so sieht das auch die Historikerin Tuchman und der Kognitionspsychologe Steven Pinker. Mehr Aufklärung, mehr Vernunft! rufen sie uns zu. Da schmunzeln die Taliban.
*Swift, Reisen in verschiedene ferngelegene Länder der Erde von Lemuel Gulliver, BDW 1983, S. 60; **S. 285f.
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