Sonntag, 16. Dezember 2007

Winter, Blocher

mo -2° s m 4° s a -4° Heizöl 72,20 (69,75)
Zwei große Bussarde fliegen gemeinsam um die Hausecke. Na, na.

- Ein früher, kalter Winter - kein Hinweis auf Klimaerwärmung. Die Klimaspesenritter beenden ihr unsinniges Palaver auf Bali. Daß nichts erreicht wurde, ist in diesem Fall erfreulich. Nach ein paar kalten Wintern werden die Scharlatane als solche auch für Wetterabergläubische erkennbar sein.

- Blocher: "Die Schweiz übersteht auch dieses Beben
In einem unerwarteten Manöver haben diese Woche in der Schweiz die vereinigte Linke sowie ein paar Abweichler aus den Fraktionen der Liberalen (FDP) und der Christdemokraten (CVP) den ungeliebten und unbequemen Justizminister Blocher aus dem Amt gekippt. Dieser Coup war nach dem für Schweizer Verhältnisse überwältigenden Wahlsieg von Blochers Schweizerischer Volkspartei (SVP) im letzten Oktober nicht mehr erwartet worden. ...
Bevor man sich die Ursachen und Auswirkungen der bisher größten Niederlage Blochers vor Augen führt, sollte man die Gründe für seine politischen Erfolge analysieren. Der in der Nähe Schaffhausens geborene Pfarrerssohn ist seit dreißig Jahren die größte Reizfigur der Schweizer Politik. Er schaffte den Aufstieg vom mittellosen Bauernknecht zum milliardenschweren Chemieindustriellen aus eigener Kraft. Gleichzeitig baute er die bei seiner Ankunft 1977 darniederliegende Bauern- und Gewerblerpartei SVP kontinuierlich zur größten und stärksten Partei der Schweiz aus. ...
Wenn unter einem Populisten ein Mensch verstanden wird, der seinem Publikum stets nur das erzählt, was es je nach Wetterlage hören möchte, ist Blocher das Gegenteil: Er ist seinen Positionen treu geblieben und vertritt mit sturer, geradezu langweiliger Beharrlichkeit die Werte, auf die er seine Kollegen in harten Auseinandersetzungen eingeschworen hat: die politische Unabhängigkeit der Schweiz, direkte Demokratie, Föderalismus und Neutralität. Als bürgerlicher Anti-Achtundsechziger zerpflückte Blocher unerbittlich die Ansprüche des öffentlichen Sektors und plädierte für einen schlanken Staat mit niedrigen Steuern. Seinen Schlachtruf gegen die "Linken und Netten", gegen "die Sozialisten" und die "classe politique" entnahm er in einem Akt von Diebstahl geistigen Eigentums dem Programm der freisinnig demokratischen Partei der Schweiz: "Mehr Freiheit und Eigenverantwortung, weniger Staat", lautete bis weit in die achtziger Jahre der Slogan der FDP. Heute hat ihn sich die SVP aufs Banner geheftet.
Blochers Aufstieg ist nicht das Resultat von Demagogie und Volksverzauberung. Man muss den erstaunlich stabilen und nachhaltigen Durchmarsch der SVP vor dem Hintergrund erklären, dass im Gefolge der Achtundsechziger-Bewegung auch das bürgerliche Establishment markant nach links abdriftete. Die Staatsquote stieg zwischen 1984 und 2002 massiv an, Steuern und Abgaben wurden unschweizerisch angehoben. Vor allem aber spaltete die EU-Frage das Land. Blocher bewies den überlegenen Instinkt. Er ahnte, dass die Schweizer nicht bereit sein würden, ihre Unabhängigkeit und ihre direkte Demokratie auf Geheiß ihrer Intellektuellen und Bundesräte in einem transnationalen Gebilde aufzulösen. Schweizer sind im Grunde ihres Herzens Verfassungspatrioten. Nichts hält das Land so sehr zusammen wie die Tatsache, dass alle mit allen über die Dinge, die sie betreffen, streiten und abstimmen können.

Im Grunde wurde Blocher ein Opfer seines eigenen Erfolgs. Bezeichnenderweise haben nicht seine Schwächen und Fehler, sondern seine Stärken und Qualitäten zu seiner Abwahl geführt. ... Blochers zahlreiche Anhänger bedauern, dass der Landesführung eine ausgewiesene unternehmerische Persönlichkeit verlorengeht. Grundsätzlich wissen aber alle, dass die granitsolide Schweiz auch dieses Beben überstehen wird.
Der Verfasser Roger Köppel ist Verleger und Chefredakteur des Zürcher Wochenmagazins "Die Weltwoche". Text: F.A.Z., 15.12.2007, Nr. 292 / Seite 10 // Max Frisch: Hat er eigentlich etwas Bemerkenswertes, außer seinem Freibad, zur Orientierung in seinem Land beigetragen? Dürrenmatt hat ja noch nicht einmal ein Freibad entworfen.