Freitag, 28. Dezember 2018
Gracian zur Energiewende
214. Nicht aus Einem dummen Streich zwei machen: es geschieht häufig, daß man, um einen zu verbessern, vier andere begeht, oder Eine Ungehörigkeit durch eine größere gut machen will. Entweder ist die Thorheit aus der Familie der Lüge, oder diese aus der jener; da beide dies gemein haben, daß jede einzelne, um sich aufrecht zu erhalten, viele andre nothwendig macht. Schlimmer als die schlechte Anklage war stets die Inschutznahme derselben, und übler als das Uebel selbst ist es, solches nicht verhehlen zu können. Es ist das Erbtheil der Unvollkommenheiten, daß jede noch viele andre auf Zinsen giebt. Ein Versehn zu machen, kann dem gescheutesten Manne begegnen, jedoch nicht zwei; und selbst jenes nur im Lauf, nicht im Sitzen.
Gracian, Balthasar. Gracian's Orakel der Weltklugheit (German Edition) (S.91). Kindle-Version.
Gracian 174
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Nicht hastig leben . Die Sachen zu vertheilen wissen, heißt sie zu genießen verstehn. Viele sind mit ihrem Glück früher als mit ihrem Leben zu Ende: sie verderben sich die Genüsse, ohne ihrer froh zu werden: und nachher möchten sie umkehren, wann sie ihres weiten Vorsprungs inne werden. Sie sind Postillione des Lebens, die zu dem allgemeinen raschen Lauf der Zeit noch das ihnen eigene Stürzen hinzufügen. Sie möchten in Einem Tage verschlingen, was sie kaum im ganzen Leben verdauen könnten. Vor den Freuden des Lebens sind sie immer voraus, verzehren schon die kommenden Jahre, und da sie so eilig sind, werden sie schnell mit Allem fertig. Man soll sogar im Durst nach Wissen ein Maaß beobachten, damit man nicht die Dinge lerne, welche es besser wäre nicht zu wissen. Wir haben mehr Tage als Freuden zu erleben. Man sei langsam im Genießen, schnell im Wirken: denn die Geschäfte sieht man gern, die Genüsse ungern beendigt.
Gracian, Balthasar. Gracian's Orakel der Weltklugheit (German Edition) (S.75). Kindle-Version.
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