Freitag, 19. März 2010

BILDUNG, Carl Duisberg




Carl Duisberg (Porträt von Max Liebermann)


- BILDUNG, du erhabenes großes Wort, hast du auch einen Inhalt? Oder klingelst du nur so durch die Landschaft, ein wohltönend Blech?
Friedrich Wilh. Graf gibt in der FAZ v. 18.3.10 einen schönen Überblick über die kulturprotestantische Provinz seit Ende des 19. Jahrhunderts, die mit ihren systematischen Mißbrauchsfällen in der Odenwaldschule so prominent hervorgetreten ist. Ja, die Bildung lag den Pichts und Beckers besonders am Herzen, ganze Menschen sollten es sein, edel an Seele, Geist und Leib, harmonisch verschmolzen. Man könnte mit dem homoerotischen Winckelmann hinzusetzen: verschmolzen zu edler Einfalt und stiller Größe. Wissen, Wissensanwendung, Regeleinübung - das klingt einfach zu banal für höhere Bildungsherrschaften. Zudem wird der Wissenskanon extrem einseitig aufgefaßt, nur die schönen Dinge sollen es sein, die eine schöne Seele machen, eine ästhetische Erziehung eben. Solche Abgehobenheiten bei höheren Säugetieren führen leicht in die Irre, wie bei Klaus Mann, der sich über seine Schulzeit in der Odenwaldschule zur Zeit Paul Geheebs (mit "prächtig wallendem" Prophetenbart) in seinem "Lebensbericht" selbst äußert (Auszug FAZ 18.3.10). Es gibt immer unglückliche Naturen, die nie genug Disziplin für die eigene Lebenslenkung aufbauen können, möglicherweise gehörte Klaus Mann zu diesen, vielleicht geriet er aber in der Odenwaldschule an einen protestantischen Bildungsschamanen, der ihm in seiner grenzenlosen Verblendung zuviel Freiheit einräumte, ihm alles positive Wissen vorenthielt und dem Pubertierenden in seiner ganzen Haltlosigkeit und Desorientierung auch noch bestärkte. Klaus Mann endete sehr unästhetisch in Kokain und Freitod.

- Friedrich Carl Duisberg (* 1861 in Barmen; † 19. März 1935 in Leverkusen): machte als Chemiker BAYER zu einem Weltunternehmen. In der großen Deutschen Biographie war kein kein Platz für ihn (wohl aber für Farbverwender wie Kirchner und Beckmann) , aber, man staune, im Zeitzeichen des WDR5: " Schon als Prokurist der damals noch kleinen „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co“ legte er einen Aufbau- und Entwicklungsplan vor, in dem nicht nur ein großräumiges Werksgelände in Leverkusen sondern auch Wohnsiedlungen für die Arbeiter und Angestellten vorgesehen waren. Später, als Vorstand der Firma, ließ er den Zehn-Stunden Tag in einen Neun-, dann in den Acht-Stunden Tag ändern. Carl Duisberg war es, der die Fusion von Bayer, BASF und Agfa organisierte und den Vorsitz übernahm. Auch die Entstehung der IG Farben ging auf seine Initiative zurück."

Diese große Begabung für die Chemie soll sich schon mit 13 Jahren artikuliert haben. Da er nicht eine naturwissenschaftsfeindliche "Bildungs"schule wie die Odenwaldschule besuchte, wurde das akzeptiert und sogar von seiner Mutter gefördert, obwohl er von Vaters seiten die kleine Bandmanufaktur mit angeschlossener Landwirtschaft übernehmen sollte. Ein Glücksfall für den kleinen Fritz, für die deutsche Chemie, für die deutsche Wirtschaft, und, nicht ganz so wichtig, für die Region Köln aber bedeutsam, für den Umzug der Fa. Bayer auf das große Gelände in Leverkusen.

- Duisbergs Werdegang kann dreierlei abgesehen werden: Eine starke Begabung, die früh in eine bestimmte Richtung drängt, wird sich in der einen oder anderen Weise immer durchsetzen, mit gutem oder schlechtem Elternhaus, mit oder ohne Schule. Aber das kann recht lange dauern. Eltern, die das Talent des Kindes erkennen und bejahen, sind ein großer Beschleunigungsfaktor für einen jugendlichen Werdegang. Und schließlich können Schule und Hochschule ebenfalls destruktiv oder förderlich wirken, so daß am Ende der Ausbildung zwar kein larifarigebildeter Mensch steht, der verschwätzte Romane liest wie Joyce's "Ulysses" und verquaste Wenders-Filme sieht, sondern eine Persönlichkeitspotenz, die für sich und andere erfolgreich in die Breite wirkt, abzulesen an Patenten und Produkten, an Medikamenten und Wohlstand für die ganze Region, ja, sogar darüber hinaus.
Talent, Elternhaus, Schule - diese Drei können sehr glücklich zusammenwirken, eines fehlt aber meist (manchmal auch alle drei). Und sie sind auch in dieser Bedeutungsfolge ersetzbar: das Talent bestimmt den Rahmen, der nicht überschritten werden kann; das Elternhaus ist oft hemmend und kann aufgrund der schon sehr früh beginnenden Beeinflussung (in der Schwangerschaft) nur schwer ersetzt werden, etwa durch Betreuungs- und Schulapparate, aber in einem gewissen Umfang ist das möglich. Die Schule hat den geringsten Einfluß und kann von Talenten durch Selbststudium spielend ersetzt werden, weil dann auch der mediatisierende Einfluß von Mitschülern und Lehrern entfällt - von schwulen pädophilen Schuldirektoren wie Gerold Becker (Odenwaldschule) gar nicht zu reden. Das Beste, was Großtalente oft tun können, ist, wie im Falle Bill Gates und Andreas Bechtolsheim, das Studium rechtzeitig abzubrechen.