Samstag, 28. Februar 2009

Ordnungspolitik, 10°C, Energiedichte, Schelsky



Erstmals seit November steigt das Thermometer wieder auf 10°C !

Quelle: www.eike-klima-energie.eu/

- "Wer weniger hat, als er begehrt, muß wissen, daß er mehr hat, als er wert ist." Lichtenberg

- "Hans Willgerodt
Von der Wertfreiheit zur Wertlosigkeit
Gute Wirtschaftspolitik wird von Systemdenken geleitet. Ihm dient die Lehre von der allgemeinen Wirtschafts- und Ordnungspolitik. Sie aber wird ..." 27.2. FAZ

- - Energiedichte: 5,7 l Diesel entsprechen im Energiegehalt einem Kofferraum voll Batterien oder : 400 kg Li-Ionen-Akkus entsprechen 5 kg Diesel (Auf Wiedersehen - in 20 Jahren, Autos mit Elektromotor, Focus 9/2009, S. 99)

- " Auf den Gipfeln, hinter den Kulissen.
VON WOLF LEPENIES24. Februar 2009 WELT online
Vor 25 Jahren starb der Soziologe Helmut Schelsky, der Denker einer skeptischen Generation

Moralische Reibung kann intellektuelle Energie erzeugen. In der jungen Bundesrepublik war dies der Fall. Hier trafen Emigranten und Mitläufer aufeinander, Gegner des Naziregimes und seine Nutznießer, deutsche Juden, die aus ihrem Vaterland vertrieben wurden, und Deutsche, die dafür verantwortlich waren. In Politik, Kultur und Wissenschaft bildeten sich Milieus von hoher innerer Spannung. Als im Oktober 1960 die Soziologen im Jagdschloss Niederwald zusammenkamen, stritten nach Deutschland zurückgekehrte Emigranten wie Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und René König mit Hans Freyer und Arnold Gehlen, die in der Nazizeit Karriere gemacht hatten.

Zu den Teilnehmern des Treffens gehörte auch Helmut Schelsky, der Anfang der Dreißiger bei Gehlen in Leipzig studiert hatte und 1938 mit ihm als Assistent an die Universität Königsberg gewechselt war. Für Schelsky war sein Lehrer, Kollege und Freund Arnold Gehlen im Niederwald "als eindeutiger Sieger vom Platz gegangen". Er sagte voraus, dass Gehlen in Zukunft aus Frankfurt keinen politischen Angriff mehr zu erwarten haben werde. Im Gegenteil: Er werde sogar die "beschränkte Patronage" der Frankfurter Schule genießen. Diese Prophezeiung traf ein. In der Öffentlichkeit benahmen sich, wie Adorno mit Blick auf Gehlen schrieb, die beiden Kontrahenten wie zwei riesige Doggen, die ohne zu beißen ihres Weges zogen. Privat gratulierten Gehlen und Adorno sich dazu, unabhängig voneinander exklusive Wahrheiten gefunden zu haben. In der "Aversion gegen das existenzielle Geschwafel" und in der Einsicht in die "Verdummung und Verdunkelung" der Gegenwart gab es zwischen ihnen keine Differenzen.

Zwischen Arnold Gehlen und seinem früheren Schüler Helmut Schelsky dagegen kam es Ende der Sechzigerjahre zur Entfremdung und zur Aufkündigung einer langen Freundschaft. 1933 war der 21jährige Schelsky dem "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund", 1937 der NSDAP beigetreten. Für sich und seine Lehrer Hans Freyer und Arnold Gehlen nahm er in Anspruch, aus ideellen Motiven gehandelt zu haben. Ein "Bekenntnis zur Straßen- und Parteikampfbewegung der Nationalsozialisten" sei damit nicht verbunden gewesen. 1940 ging Schelsky mit seinem Doktorvater Freyer nach Budapest, der dort zum Leiter des deutschen Kulturinstituts ernannt worden war. Dann wurde er als Offizier einer Sturmtruppe an die Ostfront versetzt, nahm an den Endkämpfen in Ostpreußen teil, wurde schwer verwundet und erlebte das Kriegsende in Schleswig-Holstein. Von 1945 bis 1948 half Schelsky, den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes mit aufzubauen - eine Tätigkeit, die er im Rückblick als besonders befriedigend beschrieb.

Wie viele Deutsche glaubte Helmut Schelsky, mit den Gefährdungen seiner Soldatenzeit für die Verirrungen seiner Jugend ausreichend bezahlt zu haben. Hinzu kam die trotzige Befriedigung darüber, dass der "verspätete, aber sein Leben einsetzende und scheiternde Widerstandskampf gegen Hitler" von Männern angeführt worden war, die zu den moralischen Eliten der nationalen Jugendbewegung gehört hatten. Ihnen fühlte sich Schelsky zeitlebens verbunden. Den von ihm so genannten "Parteidemokraten", die Deutschland nach der Machtübernahme Hitlers verlassen hatten, begegnete er stets mit gutem Gewissen und manches Mal fast mit Verachtung. Emigration war für ihn Flucht gewesen, nicht Vertreibung.

Nach 1945 nahm Schelsky das Recht auf demokratisches Selbstbewusstsein für sich in Anspruch. Die Solidarität mit seinen Lehrern, die sich unter der nationalsozialistischen Diktatur herausgebildet hatte, blieb vom Übergang in die Demokratie unberührt. Von Freyer, den ein Kritiker als "typischen Radau-Nationalsozialisten" bezeichnete, sagte Schelsky, er sei ein "totaler Nicht-Aktivist" gewesen und habe ihn demokratisch leben gelehrt. Besonders eng gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Arnold Gehlen, mit dem zusammen er 1955 ein Lehr- und Handbuch der Soziologie herausgab. Als Gehlens Buch "Urmensch und Spätkultur" in einer "unreifen" Besprechung kritisiert wurde, riet Schelsky dem Rezensenten Jürgen Habermas, sorgfältiger zu lesen und sich mit vorschnellen Urteilen zurückzuhalten.

Nicht zuletzt als Reaktion auf die Studentenrevolte veröffentlichte Gehlen 1969 sein Pamphlet "Moral und Hypermoral". Schelsky war enttäuscht und entsetzt. Für ihn hatte Gehlen mit seinem aggressiven und aufgeregten Buch nicht nur die Wissenschaft verlassen - er hatte auch moralisch-politische Überzeugungen dem Spott preisgegeben, zu denen sich Schelsky als gelernter Demokrat bekannte. "Moral und Hypermoral" war eine Abrechnung mit dem von Gehlen so genannten "Humanitarismus", der aus dem Binnenethos der Familie entwickelten, "unterschiedslosen Menschenliebe". Gehlen spottete über die Verweichlichung und Verweiblichung, die dieses Ethos zur Folge hatte. Als Konsequenz, so klagte er, degeneriere auch der Staat; in der Bundesrepublik beschränke er sich mehr und mehr auf die Rolle als "Exekutive von Verbandskompromissen und Auszahlungskasse". Demgegenüber formulierte Gehlen im Anklang an Bismarck sein Institutionenethos: "Sich von den Institutionen konsumieren zu lassen, gibt einen Weg zur Würde für jedermann frei, und wer seine Pflicht tut, hat ein Motiv, das von jedem anderen her unbestreitbar ist." Im Nachkriegsdeutschland hätten die Institutionen längst die Kraft und den Mut verloren, den Einzelnen zu disziplinieren. Daher suchte Gehlen seine Vorbilder andernorts: Mao und die amerikanischen und sowjetischen Falken gehörten dazu. Er lobte die skrupellose Entschlossenheit, mit der in China und in der UdSSR der Staat auf Protest und Provokationen reagierte. Die Niederschlagung des weitgehend von Intellektuellen getragenen Prager Frühlings im August 1968 nannte Gehlen "ein Ereignis ersten Ranges" und sprach schadenfroh von einem Trauma, das den Dissidenten damit bereitet worden war.

"Woher kommt Deine Aggression?", war die Frage, die Schelsky nach der Lektüre des Buches an Gehlen richtete. Schelsky bestritt das Vorhandensein eines allgemeinen Institutionenethos. Gehlen warf er vor, keine wissenschaftliche Analyse, sondern eine Herrschaftsphilosophie für die Starken und Eroberer geliefert zu haben. Machtverklärung aber könne sich ein westdeutscher Professor 25 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus nicht leisten. Am schlimmsten: Gehlen habe mit seiner Attacke einen politisch realistischen Konservatismus, der auf Ordnung, Rechtsstrenge und Würde beruhte, in Misskredit gebracht. Schelsky stellte sich in die Reihe derer, die Gehlen angegriffen hatte. Er verteidigte den humanitären Intellektualismus als die einzige "weltpolitische Waffe", die den Schwachen in der Gegenwart geblieben war. Gehlen ließ sich davon nicht beeindrucken.

Die entschiedene Antwort gab Jürgen Habermas in seiner Kritik an Gehlens Buch, die im April 1970 im "Merkur" erschien: "Humanität ist die Kühnheit, die uns am Ende übrig bleibt..." Gehlens Begeisterung für das Institutionenethos bezeichnete Habermas als "einen absichtsvollen Rückschritt in der Humanität" und fügte hinzu: "Revolution von rechts nannte man das zu einer Zeit, als man noch Illusionen hegen konnte über solche Empfehlungen." Damit war der Nerv getroffen, der Schelsky an Gehlens Pamphlet so irritiert hatte. Er hatte nie verleugnet, dass die politischen Überzeugungen seiner Jugend vom Gedankengut der "Revolution von rechts" bestimmt wurden. Aber ebenso entschieden hatte er sich davon später distanziert. In Gehlens Nähe zu bleiben, hätte Zweifel aufkommen lassen, ob Schelskys Distanzierung von den politischen Irrungen seiner Jugend aufrichtig war.

Schelsky machte sich die Einwände von Habermas weitgehend zu eigen. Gleichzeitig kritisierte er ihn aber auch und unterschob ihm eine Verwandtschaft, die Habermas kaum willkommen sein konnte: Was war die "Kommunikationsgemeinschaft", die bei Habermas eine zentrale Rolle spielte, anderes als Freyers "Volksgemeinschaft"? An die Stelle der Gehlen-Seminare, die Schelsky einst veranstaltet hatte, traten jetzt Habermas-Seminare. Bereits davor hatte er Habermas eingeladen, Mitglied in einer "Kleinstgesellschaft für Soziologie auf Zeit" zu werden, in der sich erhöhte Chancen der Kooperation und Kommunikation böten.

Gehlen hatte in "Moral und Hypermoral" die Intellektuellen aufs Korn genommen, die er als "Gegen-Aristokratie" verspottete. Sechs Jahre nachdem Schelsky Gehlen kritisiert hatte schrieb er selbst einen Traktat, in dem er mit "Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen" abrechnete. Er hatte die Genugtuung, dass sein Buch "Die Arbeit tun die anderen" ein Bestseller wurde. Ähnlich wie Gehlen, dem er "literarische Spielerei" vorgeworfen hatte, entfernte sich nun auch Schelsky von seinem eigenen Fach. Er stilisierte sich zum Anti-Soziologen, der seine Fachkollegen zu den Sinnproduzenten rechnete, die in der modernen Gesellschaft eine unproduktive, "ihrerseits die Güter-Produzenten ausbeutende Klasse" bildeten. Schelsky konnte sich freilich nicht entschließen, ob er die Soziologie, diese "Bewusstseinsführungswissenschaft", für gefährlich oder für langweilig hielt. Als die Deutsche Gesellschaft für Soziologie einmal fälschlich als DSG bezeichnet wurde - dem Kürzel für die Deutsche Schlafwagen-Gesellschaft - sah er darin wohl eine gewisse Berechtigung.

Mitläufer und Sympathisanten der 68er-Bewegung, schrieb Schelsky, verfolgten eine "kühle und realistische Strategie der Systemüberwindung", die den Bestand der Bundesrepublik bedrohte. Schelsky reagierte zunehmend verbittert, wenn an seine Zeit unter der Diktatur erinnert wurde, um ihm die Berechtigung abzusprechen, die Demokratie gegen Angriffe von links zu verteidigen. Er suchte nach Möglichkeiten, eine große Koalition über ideologische Grenzen hinweg zu bilden, um der Strategie der Systemüberwindung eine Strategie der Systemerhaltung entgegenzustellen.

Im August 1975 formulierte Schelsky einen Appell an Heinrich Böll, mit dem er die zweite Auflage von "Die Arbeit tun die anderen" abschloss. Bölls Aufruf für Ulrike Meinhof hielt Schelsky für einen Skandal. Er charakterisierte den Nobelpreisträger als "Kardinal und Märtyrer" zugleich, als einen "mit seinem Leid wuchernden Egozentriker der publizistischen Macht". Bölls Klage vom Verfall der öffentlichen Meinung in der Bundesrepublik wies er mit soziologischer Autorität zurück. Der Ursprung moralischen Handelns und Urteilens liege stets im vor-öffentlichen, im privaten Bereich.

Folgerichtig machte Schelsky den Vorschlag, Böll möge ihm helfen, "ein privat bleibendes Experiment auf zwei Jahre" zu verwirklichen. Zwölf bis zwanzig deutsche Schriftsteller, Journalisten und Wissenschaftler sollten sich, hinter den Kulissen der Publizität, regelmäßig treffen. Eine "stillschweigende Verständigung von Literatur und Wissenschaft" könne zu einem Konsens über strittige gesellschaftspolitische Fragen führen. Schelsky fragte Böll, den er als Doyen der bundesdeutschen Literatur anerkannte, ob damit "für die geistige, moralische und politische Einheit der Menschen in unserem Staat nicht mehr gewonnen werden könnte als durch eine gewollte oder ungewollte Parteinahme für die SPD oder die CDU".

In einem Vortrag vor dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger zog Helmut Schelsky Anfang der Siebzigerjahre eine trübe Bilanz: Die politisch-geistigen Grundlagen der Ära Adenauer seien verschlissen. Wieder einmal habe sich gezeigt, dass die Erfahrungen einer Generation sich nicht auf die nächste übertragen lassen. Auf einmal gelte der "Wiederaufbau" des westdeutschen Staates, an dem er sich entschlossen beteiligt hatte, als "Restauration". Die politischen Parteien schienen nicht in der Lage, entgegenzusteuern. So erklärte sich Schelskys späte Skepsis gegenüber dem "demokratischen Öffentlichkeitsgebot des Sozialstaates" (Habermas). Was ihm blieb, war die Hoffnung auf die politische Wirkung privater Gesprächskreise. Mit Stolz und Selbstironie berichtete er, dass ihn in seinem Alterssitz im Burgenland "radikalsozialistische Assistenten" und "ratlose Bundeswehroffiziere" aufsuchten."