„Die Athener richteten alle erwachsenen Melier hin, so weit sie in ihre Hand fielen, die Frauen und Kinder verkauften sie in die Sklaverei. Den Ort gründeten sie selbst neu, indem sie später 500 attische Bürger dort ansiedelten.“
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, V. 116.
“Die massenweisen Vergewaltigungen im Kongo begannen, als nach dem Völkermord in Ruanda vor fast zwanzig Jahren viele der Mörder über die Grenze in den benachbarten Ostkongo flüchteten. Inzwischen gibt es unzählige, auch kongolesische Rebellengruppen, die nachts oder bei Morgengrauen die Menschen in den Dörfern überfallen, entführen, vergewaltigen und oft auch töten. Solanges Ehemann musste hilflos mit ansehen, wie die Rebellen seine Frau verschleppten. Solange hofft, dass er mit der Zeit vergessen und ihre kleine Tochter lieb gewinnen kann. …” DLF, Hillauer, Kinder mit Rebellenblut, 25.7.13
Wenn der Staat zusammengebrochen ist oder nie Stabilität erlangt hat, dann herrschen so furchtbare Verhältnisse wie im Kongo, wie sie hier aus der Gegenwart berichtet werden. Sie waren in der Geschichte der Normalfall. Erst eine Zentralgewalt kann dem Einhalt gebieten. Oder ein Hegemon. Im besten Falle. Ein Hegemon kann sich allerdings auch so verhalten wie Athen gegenüber Melos. Die Insel weigerte sich, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, wurde von Athen erobert und die Bevölkerung 416 vuZ massakriert. (S. Melier-Dialog d. Thukydides). Aus der Bundeskasse des Attischen Seebunds bediente sich Athen nach Belieben; Prunktempel in Athen bezahlten die Bundesgenossen. Zu einer großen Pax Romana brachte es das Römische Imperium, das tatsächlich ein Imperium war. So lobte Ailios Aristeides 143, daß selbst in Kilikien Frieden herrsche durch die römischen Armeen. Aufstände wurden jedoch mit aller Härte niedergeschlagen, so der jüdische Aufstand. Ähnlich verhielt es sich im Osmanischen Imperium. Und noch 1945 war es Ziel des konventionellen Krieges, Zivilisten zu Abertausenden zu verbrennen (deutsche und japanische Städte). Durch den totalen Zusammenbruch der deutschen und japanischen Aggressoren wurde eine längere Friedenszeit möglich, die fälschlich auch Pax Americana genannt wurde. Die USA waren und sind jedoch zu schwach für ein Imperium, es fehlt ihnen auch der Wille dazu. Im Koreakrieg zeigte sich schon früh diese amerikanische Schwäche gegenüber den kommunistischen Angreifern aus dem Norden, die von Moskau und Peking unterstützt wurden. Wo die römischen Armeen bis Peking marschiert wären, begnügte sich Washington mit einer Waffenstillstandslinie in Korea. Dabei ist es geblieben. Südkorea prosperierte, Nordkorea darbt heute noch. Die beabsichtigte tausendfache Vernichtung von Zivilisten, probates und wichtiges Kriegsmittel der Militärgeschichte, gilt auf einmal nach zehntausend Jahren seit 1945 nicht mehr als legitim. Und wo Friedrich II. von seinen Grenadieren den Tod verlangte (“Kanaillen, wollt ihr ewig leben?”), dort gilt heute das Prinzip der peniblen Schonung der eigenen Soldaten. Dies gilt aber nicht anderswo. Die nordvietnamesischen Aggressoren opferten ihre Soldaten massenhaft bedingungslos ohne die geringste Rücksicht, wie sie auch ihre eigenen Untertanen versklavten. Das wäre auch von China zu erwarten gewesen.
Die Zeiten der Imperien, die aus einem Zentrum heraus befehlen konnten, was sie wollten, sind vorbei. Die Atommächte bilden eine Gruppe, die im UNO-Sicherheitsrat bemüht ist, große Kriege zu vermeiden. Das Zivilistenschonungsgebot hat inzwischen sogar dazu geführt, daß auch sehr schwache Gegner wie in Afghanistan sich in einem jahrelangen Guerillakrieg behaupten, ja sogar eine Zentralregierung angreifen können. Dadurch sind auch für die Zukunft sehr viele kleine militärische Konflikte zu erwarten.
Die chinesische Diktatur wäre allerdings grundsätzlich noch zu einem großen konventionellen Krieg mit riesigen eigenen Verlusten in der Lage. Hier gibt es jedoch ein historisches Novum, das dagegen arbeitet: das Zusammenwachsen der chinesischen und amerikanischen Wirtschaft. Auf vielen Produkten steht zu lesen: designed in California, assembled / produced in China. Südostchina ist eine große Werkbank der USA geworden. Zu beider Nutzen, obwohl natürlich einfache amerikanische Arbeiter nur den indirekten Vorteil billiger chinesischer Produkte verbuchen können, jedoch weniger Lohnerhöhungen. Daher stammt das große Außenhandelsungleichgewicht zwischen den USA und China.
Eine interessante, nie dagewesene Verflechtung zweier eigentlich feindlicher Großmächte. Die Geschichte ist immer neu.