Dienstag, 29. März 2011

Morgenstund ohne Gold im Mund







Eigentlich kommen sie nicht so nahe an Häuser





DER EICHELHÄHER

Es sitzt ein Vogel im Eichenlaub und gibt ein Potpourri zum besten. Er schwatzt und plaudert, als wäre er ein Pirol oder Würger, und dann schnalzt er wie eine Eichkatze, miaut wie ein Bussard, trompetet wie ein Kranich, ruft wie ein Buntspecht, pfeift wie ein Star und quietscht wie ein Wagenrad. Jetzt kreischt er laut und gellend auf und schwebt dahin wie ein riesengroßer, bunter Schmetterling.
Der Markwart ist es, der Eichelhäher, der Schalksnarr und Irrwisch, Hans Dampf in allen Ecken, Bruder Immerlustig und Meister Wunderlich, der lustige Schwätzer, der fröhliche Spötter, der Hüpfer und Schlüpfer, Schweber und Flatterer, der Prahlhans und der Angstmeier, des Jägers Vergnügen, des Jägers Verdruß, Wildverkünder und Wildvergrämer, der Nestzerstörer und Eichenpflanzer, der alles kann, der alles sieht, alles kennt, der heute pfiffig und morgen dummdreist, eben vorlaut und frech und jetzt wieder heimlich und zage ist, der Vogel, dessen Stimme, dessen Benehmen ebenso voller Gegensätze ist wie sein Gefieder.
Wie fein, weich und zart ist das rötliche Grau seines Rumpfes. Wie herrlich ist der gelbliche, schwarz übertupfte Scheitel dazu gestimmt und das warme Braunrot der Flügeldecken. Wie toll aber stechen dagegen die leuchtend himmelblauen, schwarz und weiß gestriemten Achselklappen ab, die schwarzweißen Schwingen, die weißen Schwanzdeckfedern und der schwarze Schwanz. Eigentlich müßten diese harten Farben zu dem weichen Grundtone des Gefieders nicht passen, aber den Eichelhäher kleiden sie, bei ihm sind sie ebenso zusammengestimmt wie in seinem Gesänge die feinen und die groben Laute, wie in seinem Charakter die freundlichen und die häßlichen Züge.
Auf der blumigen Waldwiese sitzt ein halbes Dutzend Häher. Das schwatzt, das klatscht, hüpft und springt, tanzt hin und her, spreizt die Hollen, nickkoppt und dienert, schaut ernst drein, hopst albern in die Höhe, schnappt den fliegenden Käfer, streut die Erde des Maulwurfshaufens herum, stochert im Moose, scharrt im Grase, hämmert an einem Baumstumpfe, wetzt an einem Steine, quiekt, schnalzt, quarrt, schnarrt, ratscht und tratscht, miaut und flötet, daß der Jäger, der hinter der Eiche steht, vor Lachen kaum ruhig bleiben kann.
...
Hermann Löns (1866-1914),
Mümmelmann. (1909) Ein Tierbuch.
( Löns Eichelhäher - https://docs.google.com/document/pub?id=1lSzSZtX35rwb3HwMzh6eioLLC4zKVRyf0K_Qps41UVw )