Freitag, 8. April 2016

Die Verfestigung einer arbeitsunwilligen Unterschicht



“Carola Goetze, 46 Jahre, ist seit vielen Jahren arbeitslos, ebenso ihr Mann. Das Ehepaar und seine achtjährige Tochter bekommen 1400 € im Monat. Carola Goetze hat einen 1-Euro-Job bei der Essensausgabe der Gelsenkirchener Tafel. Sie war einmal im Job-Point mit dem Ergebnis: ‘Für mich war da nichts dabei.’ Während der vergangenen vier Jahre wurden ihr von der Arbeitsagentur sechs Jobs angeboten, sie wollte keinen davon. Arbeitsvermittler Sußmann sagt, daß in Gelsenkirchen alle 20 Minuten ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werde, die Arbeitslosigkeit sei nicht statisch. Er verwaltet viele Aktivierungsmöglichkeiten, aber es gelang ihm dennoch nicht, Carola Goetze mit ihren 46 Jahren in reguläre Arbeit zu bringen. Bekämen Carola Goetze und ihre Kleinfamilie nicht monatlich 1400 € vom Staat, würde sie wohl längst einer bezahlten Arbeit nachgehen. Es gibt Millionen Carola Goetzes im System, das zeigt die Untersuchung der Dynamik im SGB II durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung …”
Thilo Sarrazin: Deutschland, 2010, S. 175f.


“Es erschien eine junge, dunkelgekleidete Frau von etwa 20 Jahren mit ihrem ebenfalls dunkel gekleideten 22jährigen Freund. Beide lebten von Hartz4. Die junge Frau hatte zwei Jahre zuvor den Realschulabschluß gemacht. Sie wollte Maskenbildnerin werden, fand aber keine Stelle. … Ob sie nicht wenigstens eine Ausbildung als Verkäuferin machen wolle? Der Filialleiter bei Lidl, wo sie öfter jobbe, habe sie das auch schon gefragt, meinte sie. Sie wolle aber nicht. … Ihr Leben sei langweilig, sagte sie. Kochen könne sie nicht, ihre Eltern, ebenfalls Hartz4-Empfänger, auch nicht.” Sarrazin, S. 127f.  

Wer als Hausverwalter tätig war, kennt solche Fälle aus der Nähe; Kinder werden bereits früh an das asoziale Abzocken gewöhnt. Am Rückbau des Sozialstaats in Richtung “Workfare” geht kein Weg vorbei. Das macht auch Gelder frei für tatsächlich Hilfsbedürftige.